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Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Titel: Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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und beschleunigte. Die Fahrbahn war leer; außer ihr und dem schwarzen Porsche schien kein Mensch mehr in Downtown unterwegs zu sein. Was sollte sie jetzt tun? Zurück auf den Freeway? Eine blöde Idee, mit einem Porsche im Nacken. Die Ampel vor ihr stand auf Gelb. Ein rascher Blick, die Kreuzung lag verlassen. Eve trat das Gaspedal bis zum Boden durch, die Automatik heulte auf, der Wagen schoss vorwärts. Schlingernd nahm sie die Kurve, fand zurück in die Spur und bremste so hart, dass ihr Körper in den Gurt stürzte. Sie beschleunigte wieder, kreuzte zwei Straßen und bog in die Grand Avenue. Sie warf einen Blick in den Rückspiegel. Die Fahrbahn war leer. Sie fuhr ein paar Mal um den Block, bis sie wieder auf den Olympic Boulevard stieß. Der Porsche blieb verschwunden.
    Eves Anspannung löste sich. Sie nahm eine Hand vom Lenkrad. Ihre Finger, verschwitzt und kalt, zitterten. Sie passierte die Kreuzungen in umgekehrter Reihenfolge – Grand, Hope, Flower. Die Einfahrt des 717 geriet in Sichtweite.
    Blitzartig zerschnitt das grelle Weiß der Xenonscheinwerfer die Nacht, der Porsche schoss um die Kurve, rammte sie fast. Eve schrie auf. Geistesgegenwärtig gab sie Gas, überquerte dieses Mal die Figueroa und bog scharf in die Zubringerstraße zum Freeway ein.
    Die Lichter klebten in ihrem Rückspiegel wie glühende Tentakel.
    Kurz vor der Auffahrt zwang sie den Lexus in eine scharfe Rechtskurve. Sie raste eine Gasse zwischen Wellblechbaracken und einer abgesperrten Parkfläche hinunter, schoss in die Sechste Straße und wiederholte ihr Manöver, mit dem sie den Porsche beim ersten Mal abgehängt hatte. Sie lenkte den Wagen in eine unbeleuchtete Passage zwischen einem Schnellrestaurant und einer Wells-Fargo-Filiale. Einer plötzlichen Eingebung folgend schaltete sie die Scheinwerfer ab, wich zugleich einem Müllcontainer aus, erwischte ein Schlagloch. Etwas schlug dumpf gegen den Unterboden. Sie rollte weiter, langsamer nun, beschleunigte erst, als sie die andere Seite erreicht hatte. Sie passierte das Sheraton mit seiner abweisenden, braunen Ziegelmauer. Gegenüber erhob sich hell erleuchtet die Fassade eines Supermarktes.Gott sei Dank hatte der Laden bis Mitternacht geöffnet. Eve kam eine Idee. Sie warf einen Blick in den Rückspiegel, dann bog sie in die Einfahrt zur Tiefgarage und zog ein Ticket.
    Ein heftiges Zittern überlief ihren Körper, als sie im Aufzug stand. Ihr Magen wollte rebellieren. Mit einer Hand umklammerte sie ihre Handtasche, mit der anderen das nutzlose Handy. Die Kabine stoppte und Eve zögerte einen Moment, bevor sie es wagte, den Aufzug zu verlassen.
    Der Supermarkt war beinahe leer. An der Kasse scherzte ein blasser Typ mit der Kassiererin. Die Straße vor den großen Panoramafenstern lag da wie ausgestorben. Eve trat aus der Kabine und schlüpfte zwischen die langen Regalreihen. Sie betrachtete Preisschilder und stöberte in Zeitschriften, ohne wirklich zu sehen, was sie las. Sie kaufte sich Zeit. Sie wollte sichergehen, dass der Porschefahrer es aufgab, durch die Straßen der Nachbarschaft zu kreuzen, auf der Suche nach ihr.
    Eve wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, wie lange sie sich im Laden aufhielt. Lange genug jedenfalls, um ihren Verfolger davon zu überzeugen, dass die Beute entkommen war. Lange genug, um das Zittern unter Kontrolle zu bekommen und sich soweit zu entspannen, dass sie wieder klar denken konnte. Sie kaufte Obst und Milch, dann machte sie sich zu Fuß auf den Weg nach Hause zum 717, das nur zwei Blocks entfernt lag. An einer Kreuzung streifte sie ihre hochhackigen Riemchensandalen ab und lief barfuß weiter. Ihre Füße fühlten sich geschwollen an und schmerzten.
    Was für eine Nacht. Im Nachhinein erschienen die Geschehnisse der letzten Tage unwirklich. Ihr schwirrte der Kopf von zu viel Informationen und Mutmaßungen. Seit ihrem Zusammenstoß mit Alan Glaser und den beiden Killern auf dem Dach seines Hauses war ihr Leben vollkommen aus den Gleisen geraten. Das irrwitzige Katz- und Mausspiel mit dem Porsche markierte nur den letzten Höhepunkt in einer bizarren Kette von Ereignissen.
    Sie überquerte die Straße und tauchte in die Baustellenunterführung ein, die den Bürgersteig auf dieser Seite der Fahrbahn ersetzte. Wind raschelte in den Folien. Die Geräusche des nächtlichen Downtown schienen von weither zu kommen. Eve stellte sich eine Wanne mit heißem Wasser vor, konnte die Wärme auf ihrer Haut fast schon spüren, roch Gewürzduft, Lavendel und

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