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Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Titel: Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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aufrichten, doch Schmerz und Übelkeit überfluteten ihren Körper. Ihr Gleichgewichtssinn versagte, als sie sich auf die Knie erheben wollte. Sie schwankte, fing sich mit den Handflächen und verharrte so, schwer atmend. Einen Moment später erfasste sie die beiden Gestalten, die in tödlicher Umklammerung über den Boden rollten. Ihr wurde klar, dass sie nur wenige Minuten weg gewesen war, vielleicht nur für Sekunden. Andrejs platinblondes Haar leuchtete im Dunkeln.
    Eves Gedanken rasten. Sie wusste es wieder, mit glasklarer Sicherheit, dass der andere Alan Glaser war. Der Maler.
    Eve erinnerte sich nicht, wann er aufgetaucht war. Sie spürte nur Erleichterung, so überwältigend, dass sie für einen Moment ihr Entsetzen verdrängte. Als Alan einen gepressten Laut ausstieß, halb Keuchen, halb Schrei, zuckte sie zusammen. Er zog plötzlich die Beine an und schleuderte den Russen zurück. Dann kam er auf die Füße, den Oberkörper leicht vorgebeugt. Andrej richtete sich gleichzeitig auf. Für ein paar Atemzüge standen sie still und belauerten einander. Eve wagte nicht, sich zu bewegen.
    Auf einer unbewussten Ebene realisierte sie, wie ähnlich die Männer einander waren. Wie Raubtiere, deren Anblick sich in die Netzhaut ihrer Beute brennt, kurz vor dem tödlichen Biss. Dann griff der Russe wieder an, attackierte Alan mit einer Serie von Schlägen. Alan blockte und wich aus, mit atemberaubender Präzision. Er fing Andrejs Arm und zog den Russen zu sich heran, drehte sich und hieb ihm den Ellbogen ins Gesicht. Zwei Treffer in den Unterleib ließen den Russen einknicken. Alan umklammerte seinen Nacken mit beiden Armen und rammte ihm ein Knie ins Gesicht.
    Das Geräusch klang wie brechendes Holz. Andrej sackte zusammen. Im nächsten Moment überlief Eve Grauen, als Alan nach seiner Seite tastete und ein Messer aus einer Wunde zog. Er ließ sich auf Andrejs Brust niedersinken, packte dessen Kopf und schnitt ihm die Kehle durch. Der Russe bäumte sich auf, doch seine Bewegungen waren nicht mehr so kraftvoll wie zuvor. Alan nagelte ihn mit den Knien auf den Boden und hielt seine Arme fest. Eve wollte die Augen schließen, doch konnte nicht. Gegen ihren Willen starrte sie zum Russen und seinem Henker. Andrejs Todeskampf schien ewig zu dauern. Als seine Glieder endlich aufhörten zu zucken, sank Eve nach vorn und übergab sich.

    Alans Wut fiel in sich zusammen, als der Russe aufhörte zu atmen. Plötzlich lag der Körper ganz still. Alan konnte das Hämmern seines eigenen Herzschlags hören. Seine Knochen fühlten sich kalt an. Keuchend erhob er sich. Er ließ das Messer fallen und sah nach Eve, die bleich und verletzt am Boden hockte. Ihre Halsseite und die Schulter waren schwarz von Blut. Der säuerliche Geruch von Erbrochenem mischte sich in die Nachtluft, die bereits gesättigt war von Tod und Schmerz.
    Was hatte er getan? Er tastete nach der Stelle, an der ihm Icoupov das Messer ins Fleisch gerammt hatte. Blut sickerte aus dem Schnitt. Es schmerzte. Mit ein paar Schritten überbrückte er die Distanz zu Eve und ging vor ihr in die Knie. Sie öffnete die Lippen.
    „Was ...?“
    „Nicht“, unterbrach er. „Nicht sprechen.“
    Er streckte einen Arm aus und tastete über die Wunde an ihrem Hals. Der Schnitt ging nicht so tief, wie er befürchtet hatte. Glück gehabt. Ihn überspülte eine solche Erleichterung, dass ihm fast schwindlig wurde.
    „Können Sie aufstehen?“, fragte er.
    „Keine Ahnung.“
    Ihre Lider zitterten. Alan unterdrückte das Bedürfnis, ihre Wange zu berühren. Eve umklammerte sein Handgelenk, als er ihr aufhalf. Er legte die andere Hand um ihre Hüfte und dirigierte sie zur Straße, hinaus aus der Dunkelheit.
    „Ich bringe Sie hier weg.“
    „Ja“, wisperte sie. Ihre Stimme klang teilnahmslos. Schock glänzte in ihren Augen. Sie machte ein paar unsichere Schritte, dann stockte sie. „Moment.“
    Sie wand sich schwerfällig aus seinem Griff und schleppte sich zurück zu Icoupovs Leiche. In ihren Schritten lag eine verbissene Zielstrebigkeit, die Alan davon abhielt, sie wieder einzufangen. Sie beugte sich über den Toten und durchsuchte seine Taschen.
    „Was tun Sie da?“, fragte Alan.
    Eve antwortete nicht. Sie schien etwas gefunden zu haben. Alan konnte es nicht erkennen, weil sie ihm den Rücken zuwandte. Unerwartet strauchelte sie, stürzte halb auf ein Knie. Alan war sofort bei ihr, um ihr aufzuhelfen. Eve murmelte etwas Unverständliches. Sie wich seiner Berührung aus und richtete

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