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Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Titel: Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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Oder vielleicht irrte sie sich. „Ich habe vorhin damit angefangen.“
    Als wäre es völlig normal, ein Bild von ihr zu zeichnen. „Es ist schön“, sagte sie.
    „Danke.“
    Sie schwiegen eine Zeitlang. Eve beobachtete ihn aus dem Augenwinkel. Ihr Blick heftete sich auf die kraftvollen Linien seines Körpers, die sich unter dem T-Shirt abzeichneten.
    Eine Polizeisirene ließ sie zusammenzucken. Mit einem Mal war Andrej wieder präsent, dessen blutüberströmte Leiche in der Gasse zwischen Haus und benachbartem Parkplatz lag. Sie hatte Alan nicht danach gefragt. Sie hatte es vollkommen vergessen.
    „Icoupovs Leiche ...“
    „Keine Sorge. Jemand hat sich darum gekümmert.“
    „Jemand?“
    Alan erklärte sich nicht. Es war wohl normal, dass sich
jemand
um die Leiche kümmerte, wenn ein Mann getötet wurde. Eve bezweifelte jedenfalls, dass Alan die Polizei gerufen hatte.
    „Die Cops werden keine Verbindung zwischen dir und dem Toten herstellen.“
    „Das ist ja beruhigend.“ Eve lehnte sich vor. „Alan, ich will wissen, was hier gespielt wird. Seit ich gestern Nacht dein Tete-à-tete mit diesen russischen Killerbrüdern unterbrochen habe, passieren mir seltsame Dinge, die ich nicht verstehe. Und ich hasse es, etwas nicht zu verstehen. Deshalb bin ich Reporterin. Ich muss so lange nachbohren, bis ich alles verstanden habe.“
    Alans Gesicht blieb versteinert, während sie sprach. Seine Reglosigkeit schürte ihren Ärger. Ja, er hatte ihr das Leben gerettet. Aber sie hatte das Gleiche für ihn getan. Es war ein Austausch von Gefallen. Sie schuldete ihm nichts.
    „Ich erkläre dir, was ich meine.“ Ihre Stimme gewann an Schärfe. „Du bist ein Maler, aber kämpfst wie ein US Marine. Deine Verletzungen lösen sich einfach in Luft auf, und die der Personen in deiner Nähe gleich mit. Was bist du? Ein verdammter Außerirdischer?“
    In Alans Kinn regte sich ein Muskel. „Du willst das nicht wirklich wissen.“
    „Ich will das nicht wissen?“ Jetzt wurde sie wirklich wütend. Egal, wer nun wem das Leben gerettet hatte, er würde sie nicht für dumm verkaufen. „Wie kannst du beurteilen, was ich wissen will oder nicht?“ Sie umklammerte die Stuhllehne. „In zwei Tagen muss ich einen Artikel über den Downtownkiller abliefern. Und wenn ich nicht weiß, was hier vorgeht, reime ich mir einfach was zusammen. Ich weiß nicht, ob das Ergebnis so ausfällt, wie du dir das wünschst.“
    „Kein Mensch würde dir glauben, wenn du das schreibst.“
    „Wenn ich
was
schreibe?“
    Sie starrten sich an. Sein Antlitz glich einer Maske. Ein Teil von Eve fühlte sich schuldig, ihn derart in die Enge zu treiben, nachdem er sein Leben für sie riskiert hatte. Ihr anderes Ich verlangte dagegen, noch tiefer zu bohren, bis er endlich resignierte und ihr die Antworten gab, die sie suchte.
    „Bist du so eine Art verdeckter Ermittler?“
    Ein dünnes Lächeln glitt über sein Gesicht. „Selbst wenn es so wäre“, erwiderte er, „würde ich es kaum zugeben.“

    Alan wusste nicht einmal genau, was er empfand, als er auf Eve hinab starrte. Sie übte eine seltsame Faszination auf ihn aus, wie sie dort auf ihrem Stuhl hockte, die Finger so fest um die Lehne geklammert, dass ihre Knöchel sich weiß verfärbten.
    Ihre Stimme war halb Drohung, halb Verlockung. Ihr Gesicht zeigte ihre Stimmungen wie ein offenes Buch. Und schließlich ihr Körper, ausgelaugt, aber gespannt wie eine Stahlfeder. Sie sprach einen Instinkt in ihm an, den er nicht kontrollieren konnte. Als er sie unten auf der Straße gefunden hatte, blutüberströmt mit verletzter Kehle, hatte Wut sein Bewusstsein überschwemmt. Er hatte den Russen mit voller Absicht getötet. Und er hatte es genossen.
    Alan schloss die Augen. Er wollte jetzt nicht darüber nachdenken. Stattdessen suchte er nach einer anderen, angenehmeren Emotion. Die Erleichterung, als ihm bewusst wurde, dass er nicht zu spät kam. Dass er sie retten konnte.
    Als er sie gewaschen und ihre Wunden geheilt hatte, war er ihr nahe gewesen. Doch nun war die Nähe verflogen. In seiner Brust schwelte neuer Groll, weil sie nicht aufhörte zu fragen. Und dabei eine solche Anziehungskraft ausübte, dass er sich nicht überwinden konnte, sie abzuweisen. Ihn plagte noch immer die Schuld, weil er sie am Vorabend grob aus seiner Wohnung geworfen hatte.
    „Icoupov hat für einen Kerl namens Mordechai gearbeitet“, sagte Eve. „Sagt dir der Name was?“
    Alan zuckte fast körperlich zusammen. „Nein“, murmelte

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