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Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Titel: Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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ihn auf die Wange. „Verzeih mir.“
    „Steht das mit den Ballettkarten noch?“, fragte er.
    Sie lächelte und nickte.

    Alan war, als hätte zuvor ein Schleier auf der Welt gelegen, eine Staubschicht, die nun weggewaschen war. Er fühlte sich, als sei er nach Jahrhunderten in der Dämmerung zum ersten Mal ins Licht getreten.
    Er stand am Fenster und beschattete die Augen vor der Sonne, die sich in der Fassade auf der anderen Seite der Figueroa spiegelte. Eves Geruch hing in den Kissen, der Duft ihres Haars. Alan suchte nach dem Fenster, das sie ihm gezeigt hatte. Lichtreflexe tanzten über das Glas. Der Straßenlärm schwappte zurück in seine Wahrnehmung, ein Bus fuhr an. Er schob das Fenster zu und legte seine Handflächen dagegen. Und unter der Euphorie regten sich alte Instinkte.
    Als er an den Kampf der vergangenen Nacht dachte, fröstelte er. Auf einen solchen Gegner war er nicht gefasst gewesen. Waffenlos war er ihm entgegengetreten, wie ein leichtfertiger Junge. Wo war der Mann, wisperte eine Stimme in seinem Kopf, den sie einmal Alain Schattenherz genannt hatten?
    Schattenherz war tot. Er presste die Zähne aufeinander. Schattenherz war gestürzt an dem Tag, an dem Marty gestorben war, der Junge ohne Zukunft aus South Central LA.
    Fünfzehn Jahre. Alan schloss die Augen. Was waren fünfzehn Jahre? Genug, um die Konsequenzen seines Schwurs zu verstehen. Er mochte sein neues Leben. Alan Glaser, der Maler, verkörperte eine bußfertige Existenz. Der Maler tötete nicht, er vermied Gewalt. Er war ein Schöpfer, kein Zerstörer.
    Und hätte Eve nicht ein Magazin voller Kugeln auf Kain abgefeuert, wäre er nicht mehr am Leben. Sie hatte den Killer vertrieben. Doch Kain lebte noch. Er lebte, und war nicht weit. Wenn Alan sich konzentrierte, konnte er ihn spüren. Diese ganz besondere Aura hing wie ein Summen am Rande seiner Wahrnehmung.
    Kain hatte etwas gespürt zwischen ihnen. Etwas, dem Alan mehr Aufmerksamkeit geschenkt hätte, hätte er nicht dagegen ankämpfen müssen, am eigenen Blut zu ersticken. Er war nicht sicher, ob es Verstörung oder Faszination gewesen war, die er in Kains Stimme gehört hatte. Ein Spiegel, hatte Kain gesagt.
    Ein dunkler Spiegel. Genau so hatte es sich angefühlt. Als würde man in einen Zerrspiegel blicken, auf eine Facette des eigenen Wesens, die lieber verborgen blieb. Alan wusste nicht, wie es war, einen Bruder zu haben. Er hatte nie darüber nachgedacht. Doch Kains Aura fühlte sich so vertraut an, dass dieser Vergleich der einzig passende war.
    Er drehte sich fort vom Fenster und zog mit der Hand eine Spur über die Laken, als er den Raum durchquerte. Alles hatte sich verändert. Er war nicht länger nur Beobachter. Katherina schien recht zu behalten.
    Ärger und Rage fanden neue Nahrung in seinem Innern. Die Wut war dünn, verwässert von Sorge. Was, wenn Eve kein Zufallsopfer war? Wenn Kain ihr gezielt aufgelauert hatte? Vielleicht gab es eine Verbindung zu den Icoupov-Brüdern? Eve war immerhin in Andrejs Tod verwickelt. Was, wenn Andrejs Bruder sie kannte und ihr einen Killer nachgeschickt hatte? Andererseits, wenn er auf Rache aus war, warum erledigte er den Job dann nicht selbst? Zu viele Fragen.
    Doch bevor er sich auf die Suche nach Antworten machte, musste er gerüstet sein für das, was er finden mochte. Alan drehte sich vom Fenster weg und griff nach seinem Autoschlüssel. Er wusste nun, wohin er gehen musste.

    Das Telefonat mit Mark hatte Eves Nerven besänftigt.
    Die Cops stocherten im Nebel und sie stand nicht unter Verdacht. Man hatte ihr Handy gefunden, aber das hieß ja nichts. Außer, Mark hatte gelogen. Der Gedanke flammte kurz auf und erlosch wieder. Mark besaß nicht die Raffinesse für solche Spielchen.
    „Sie wohnen im siebzehnten Stock?“, fragte der ältere der beiden Officers, der sich als Luis Martinez vorgestellt hatte.
    Sein Partner, ein blasser junger Mann, sprach kaum ein Wort, musterte aber die Umgebung, als rechne er jeden Moment mit einem Angriff. Geräuschlos glitten die Aufzugtüren auf.
    „Nach Ihnen“, sagte Eve. Sie schloss ihre Wohnungstür mit dem Ersatzschlüssel auf, den Felipe ihr gegeben hatte und erstarrte.
    Jemand war hier gewesen. Die Schubladen in ihrem Schreibtisch waren herausgerissen, Papiere und Fotos auf dem Boden verstreut.
    „Shit.“ Sie durchmaß mit schnellen Schritten den Flur und den Wohnbereich und blieb vor ihrem Schreibtisch stehen.
    „Was ist?“, fragte Martinez.
    „Jemand ist eingebrochen.“ Wie

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