Engelsflammen: Band 3 (German Edition)
Ältesten gelesen hatte. Jeder Versuch, diese Feiglinge zurückzugewinnen, war aussichtslos – und Sophia wollte sie auch nicht wieder dabeihaben. Und so war Sophia Bliss – die Schulbibliothekarin, die im Vorstand der Zhsmaelim immer nur als Sekretärin gedient hatte – jetzt die ranghöchste Vertreterin der Ältesten. Von denen es nur noch zwölf gab, und neun davon konnte man nicht trauen.
Also waren nur sie drei heute hier mit ihren pastellfarbigen Hüten und platzierten, um den Schein zu wahren, Wetten auf die Rennen. Und warteten. Einfach armselig, wie tief sie gesunken waren.
Ein Rennen endete gerade und über Lautsprecher wurden die Sieger und die vorläufigen Quoten für das nächste Rennen bekannt gegeben. Ringsum begannen unterschiedslos gut betuchte wie etwas heruntergekommene Wetter zu jubeln; andere sackten in ihren Sitzen zusammen.
Und ein Mädchen von etwa neunzehn Jahren mit weißblondem Pferdeschwanz, braunem Trenchcoat und dunkler Sonnenbrille mit dicken Gläsern kam langsam die Aluminiumstufen zu den Ältesten herauf.
Sophia versteifte sich. Was wollte sie hier?
Es war unmöglich zu erkennen, wohin das Mädchen blickte, und Sophia gab sich alle Mühe, es nicht anzustarren. Obwohl das eigentlich egal war; das Mädchen würde sie ohnehin nicht sehen können. Es war blind. Aber trotzdem …
Die Outcast nickte Sophia einmal zu. Oh ja – diese Narren konnten das Brennen einer Seele sehen. Auch wenn sie nur schwach war, musste Sophias Lebenskraft sichtbar sein.
Das Mädchen nahm in der leeren Reihe vor den Ältesten Platz, wandte sich der Rennbahn zu und spielte mit einem Fünfdollarwettschein, den ihre blinden Augen nicht lesen konnten.
»Hallo.« Die Stimme der Outcast war monoton. Sie drehte sich nicht um.
»Ich weiß wirklich nicht, warum du hier bist«, sagte Miss Sophia. Es war ein feuchter Novembertag in Kentucky, aber auf ihrer Stirn stand eine dünne Schicht Schweiß. »Unsere Zusammenarbeit ist zu Ende, seit deine Leute es nicht geschafft haben, das Mädchen zurückzuholen. Und das wird sich auch nicht mehr ändern, ganz gleich, was dieser Phillip, oder wie er sich nennt, noch an Gefasel von sich geben wird.« Sophia beugte sich vor, dichter an das Mädchen heran, und rümpfte die Nase. »Alle wissen, dass man den Outcasts nicht trauen kann …«
»Wir sind nicht euretwegen hier«, erwiderte die Outcast und starrte geradeaus. »Ihr wart nur ein Mittel für uns, um näher an Lucinda heranzukommen. Wir haben nach wie vor kein Interesse daran, mit euch ›zusammenzuarbeiten‹.«
»Auf eure Organisation gibt heute keiner mehr auch nur einen Pfifferling.« Schritte auf der Tribüne.
Der Junge war hochgewachsen und schlank, mit rasiertem Kopf und einem ähnlichen Trenchcoat, wie das Mädchen ihn trug. Seine Sonnenbrille war von der billigen Sorte, Plastik, wie man sie in jedem Drugstore kaufen konnte.
Phillip ließ sich direkt neben Lyrica Crisp auf die Bank fallen. Wie das Mädchen wandte er sich ihnen nicht zu, als er das Wort ergriff.
»Es überrascht mich nicht, dich hier anzutreffen, Sophia.« Er schob die Sonnenbrille ein Stück die Nase herunter und enthüllte zwei leere weiße Augen. »Aber es enttäuscht mi ch, dass du es nicht fertiggebracht hast, mir von deiner Einladung zu erzählen.«
Lyrica schnappte angesichts der schrecklichen weißen Flächen hinter seinen Brillengläsern nach Luft. Selbst Vivina verlor ihre kühle Fassung und prallte zurück. Sophia kochte innerlich.
Die Outcast hielt ihnen zwischen ausgestreckten Fingern eine goldene Karte hin – die gleiche Einladung, die Sophia erhalten hatte. »Wir haben das hier bekommen.« Nur, dass diese Karte so aussah, als sei sie in Blindenschrift geschrieben worden. Sophia griff danach, um sich davon zu überzeugen, aber mit einer schnellen Bewegung verschwand die Einladung wieder im Trenchcoat des Mädchens.
»Hört mal, ihr kleinen Würstchen. Ich habe eure Sternenpfeile mit dem Emblem der Ältesten gezeichnet. Ihr arbeitet für mich …«
»Richtigstellung«, unterbrach Phillip sie. »Die Outcasts arbeiten für niemanden außer für sich selbst.«
Sophia beobachtete, wie er leicht den Hals reckte und so tat, als verfolge er ein Pferd auf der Bahn. Es war ihr immer unheimlich gewesen, wie sie den Eindruck erweckten, sehen zu können. Obwohl doch jeder wusste, dass er sie hatte erblinden lassen. Mit einem Fingerschnippen.
»Schöne Arbeit, die ihr da geleistet habt. Ihr habt es voll vermasselt.« Sophias Stimme
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