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Engelsflammen: Band 3 (German Edition)

Engelsflammen: Band 3 (German Edition)

Titel: Engelsflammen: Band 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
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sich an die Hand ihrer Großmutter. Seltsam, diese Frau hatte keine Vorstellung davon, was Luce tatsächlich durchmachte, nicht einmal eine Ahnung, wer sie wirklich war, und doch war der Griff ihrer alten Hand das Einzige, was Luce hier eine Richtung gab.
    »Wohin gehen wir?«, fragte Luce, als ihre Großmutter sie durch eine weitere verdunkelte Straße zog. Bald war das Pflaster zu Ende und die Straße wurde uneben und glitschig. Der Schnee hatte Luce’ Tennisschuhe inzwischen völlig durchnässt und ihre Zehen begannen vor Kälte zu brennen.
    »Kristina abholen, deine Schwester.« Die alte Frau runzelte die Stirn. »Die nachts hilft, mit bloßen Händen Schützengräben auszuheben, damit du deinen Schönheitsschlaf bekommst. Hast du sie vergessen?«
    Wo sie sich jetzt befanden, gab es keine Straßenlaternen mehr. Luce riss die Augen weit auf, aber es dauerte dennoch eine Weile, bis sie sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Dann sah Luce, dass sie direkt vor einem sehr langen Graben standen, der sich quer durch die Stadt zu ziehen schien.
    Hunderte von Menschen waren dort an der Arbeit, alle bis an die Ohren vermummt. Einige lagen auf den Knien und gruben mit Schaufeln. Andere schürften mit bloßen Händen. Manche standen wie erstarrt da und beobachteten den Himmel. Eine Gruppe Soldaten karrte schwere Ladungen Erde und Stein in splittrigen Schubkarren und Bauernwagen davon, zu der Schanze am Ende der Straße. Sie trugen dicke wollene Uniformmäntel und ihre Gesichter unter den Stahlhelmen wirkten genauso ausgezehrt wie die der Zivilisten. Lucinda verstand, dass sie alle zusammenarbeiteten, die Männer in Uniform und die Frauen und Kinder, die ihre Stadt in eine Festung verwandelten und taten, was sie konnten, um die feindlichen Panzer noch im letzten Augenblick aufzuhalten.
    »Kristina«, rief ihre Großmutter, und wie vor einigen Minuten, als sie nach Luce gesucht hatte, war ihre Stimme von Panik und Liebe zugleich erfüllt.
    Fast sofort erschien ein Mädchen an ihrer Seite. »Weshalb habt ihr so lange gebraucht?«
    Hochgewachsen und dünn, mit dunklen Haarsträhnen, die unter dem runden, flachen Hut hervorlugten, war Kristina so schön, dass es Luce den Atem verschlug. Sie erkannte in dem Mädchen sofort eine Verwandte.
    Ihr Anblick erinnerte Luce an Vera, die Schwester aus einem anderen vergangenen Leben. Luce musste im Laufe der Zeit Hunderte Schwestern gehabt haben. Tausende. Sie alle würden etwas Ähnliches durchgemacht haben. Schwestern und Brüder und Eltern und Freunde, die Luce geliebt und dann verloren hatten. Keiner von ihnen hatte gewusst, was kommen würde. Sie alle waren zurückgeblieben, um zu trauern.
    Vielleicht gab es eine Möglichkeit, das zu verändern, es den Menschen, die sie geliebt hatten, leichter zu machen. Vielleicht war das Teil dessen, was Luce in ihren vergangenen Leben tun konnte.
    Der Donner einer gewaltigen Explosion erschütterte die Stadt. Nah genug, dass der Boden unter Luce’ Füßen schwankte und ihr rechtes Trommelfell sich anfühlte, als würde es platzen. An der nächsten Ecke heulte eine Sirene los.
    »Baba.« Kristina fasste ihre Großmutter am Arm. Sie war den Tränen nah. »Die Nazis – sie sind schon hier, nicht wahr?«
    Die Deutschen. Luce war bei ihrer ersten Zeitreise auf eigene Faust gleich mitten im Zweiten Weltkrieg gelandet. »Sie greifen Moskau an?« Ihre Stimme zitterte. »Heute Nacht?«
    »Wir hätten die Stadt mit den anderen verlassen sollen«, sagte Kristina voller Bitterkeit. »Jetzt ist es zu spät.«
    »Und deine Mutter, deinen Vater und deinen Großvater im Stich lassen?« Baba schüttelte den Kopf. »Sie in ihren Gräbern zurücklassen?«
    »Sollen wir lieber mit ihnen auf dem Friedhof liegen?«, zischte Kristina zurück. Sie umklammerte Luce’ Arm. »Hast du von dem Angriff gewusst? Du und dein Freund, der Kulak? Bist du deshalb heute Morgen nicht zur Arbeit gekommen? Du warst mit ihm zusammen, nicht wahr?«
    Wovon, dachte ihre Schwester, könnte Luce denn gewusst haben? Mit wem sollte sie zusammen gewesen sein?
    Mit wem, wenn nicht mit Daniel?
    Natürlich. Luschka musste gerade jetzt bei ihm sein. Und wenn ihre eigenen Angehörigen Luce mit dieser Luschka verwechselten …
    Ihre Brust schnürte sich zusammen. Wie viel Zeit blieb ihr noch, bevor sie starb? Konnte sie Luschka finden, bevor es geschah?
    »Luschka.«
    Ihre Schwester und ihre Großmutter starrten sie an.
    »Was ist denn heute Abend mit ihr los?«, fragte Kristina.
    »Lasst uns

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