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Engelsflammen: Band 3 (German Edition)

Engelsflammen: Band 3 (German Edition)

Titel: Engelsflammen: Band 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
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helfen?«
    Sie hatte den Atem angehalten und versucht, nicht hinunterzuschauen, als ihr Fuß zum dritten Mal von dem Holzpflock abrutschte. Schließlich schluckte sie trocken und griff nach der kalten, rauen Kralle, die Bill ihr entgegenstreckte.
    Kaum hatte sie Bills Hand ergriffen, zog er sie vorwärts und von dem Mast herunter. Sie stieß einen spitzen Schrei aus, als der Wind ihr ins Gesicht schlug und den Rock des Kleides um die Taille aufbauschte. Dann schloss sie die Augen und wartete darauf, durch das verrottete Deck zu krachen.
    Tat sie aber nicht.
    Luce hörte ein Rauschen und spürte, wie ihr Körper in der Luft gefangen wurde. Sie schlug die Augen auf. Bills Stummelflügel waren vom Wind gebläht. Er trug sie mit nur einer Hand und brachte sie langsam ans Ufer. Es war unfassbar, wie wendig er war, wie leicht. Luce entspannte sich zu ihrer eigenen Überraschung – irgendwie kam ihr das Gefühl des Fliegens inzwischen natürlich vor.
    Daniel. Als sie von nichts als Luft umgeben war, wurde sie von Sehnsucht nach ihm überwältigt. Seine Stimme zu hören und seine Lippen zu schmecken – Luce konnte an nichts anderes denken. Was hätte sie nicht dafür gegeben, jetzt in diesem Augenblick in seinen Armen zu sein!
    Der Daniel, dem sie in Helston begegnet war – mochte er auch noch so glücklich darüber gewesen sein, sie zu sehen –, hatte sie eigentlich kaum gekannt. Nicht so, wie ihr Daniel sie kannte. Wo war er in diesem Moment?
    »Geht es dir besser?«, fragte Bill.
    »Warum sind wir hier?«, fragte Luce zurück, während sie sich über das Wasser erhoben. Es war so klar, dass sie darunter die Bewegung tintenschwarzer Schatten sehen konnte – riesige Fischschwärme, die mühelos dahinglitten und dem Lauf der Küste folgten.
    »Siehst du diese Palme?« Bill streckte seine freie Kralle aus. »Die größte, die dritte vom Einschnitt in der Sandbank aus?«
    Luce kniff die Augen zusammen und nickte.
    »Dort hat dein Vater in diesem Leben sein Häuschen gebaut. Die netteste Hütte am Strand!« Bill hustete. »Um genau zu sein, es ist die einzige Hütte am Strand. Die Briten haben diese Seite der Insel noch nicht entdeckt. Wenn dein Paps also fischen ist, habt ihr zwei, du und Daniel, das Haus meistens für euch allein.«
    »Daniel und ich … haben hier … zusammen gelebt?«
    Hand in Hand landeten Luce und Bill mit der Eleganz zweier Tänzer in einem Pas de deux am Ufer. Luce war dankbar – und ein wenig schockiert –, wie mühelos er sie von dem Schiffsmast heruntergeholt hatte, aber sobald sie fest auf dem Boden stand, zog sie die Hand aus seiner schmuddeligen Klaue und wischte sie an der Schürze ab.
    Der Ort war von einer vollkommenen Schönheit. Das kristallklare Wasser spülte über den fremdartigen, herrlichen schwarzen Sand des Strandes. Haine aus Zitrusbäumen und Palmen bogen sich über die Küste, schwer beladen mit leuchtend orangefarbenen Früchten. Hinter den Bäumen erhoben sich niedrige Berge aus dem Nebel des Regenwaldes. Wasserfälle schossen an ihren Seiten herab. Der Wind hier unten war nicht so stark, besser noch, er war geschwängert vom Duft der Hibiskusblüten. Es war schwer vorstellbar, hier einen Urlaub verbringen zu können, geschweige denn ein ganzes Leben.
    »Du hast hier gelebt.« Bill ging an der geschwungenen Küstenlinie entlang, wobei er kleine Krallenabdrücke in dem dunklen Sand hinterließ. »Dein Dad und die zehn anderen Eingeborenen, die in Kanu-Reichweite lebten, nannten dich – also, es klang wie Lulu.«
    Luce hatte sich beeilen müssen, um mit ihm Schritt zu halten, und raffte die vielen Röcke ihrer Helstoner Dienstbotenuniform, damit sie nicht durch den Sand schleiften. Sie blieb stehen und verzog das Gesicht.
    »Was ist?«, fragte Bill. »Lulu ist doch süß. Lulululululu.«
    »Hör auf damit.«
    »Wie dem auch sei, Daniel war eine Art schurkischer Entdecker. Siehst du dieses Boot dahinten? Dein toller Freund hat es vom privaten Liegeplatz Georgs III . gestohlen.« Er warf einen Blick zu dem Schiffswrack hinüber. »Aber Captain Bligh und seine meuternde Crew werden noch einige Jahre brauchen, um Daniel hier aufzuspüren, und bis dahin … du weißt schon.«
    Luce schluckte. Bis dahin würde Daniel wahrscheinlich schon lange fort sein, weil Lucinda schon lange tot war.
    Sie hatten eine Schneise zwischen den Palmen erreicht. Ein brackiger Fluss floss wirbelnd zwischen dem Ozean und einem kleinen Süßwasserteich im Inland. Luce schob sich an einigen flachen

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