Engelsflammen: Band 3 (German Edition)
verblüfft.
An diesem Abend – an jedem Abend – überstieg ihre Schönheit seine unrealistischsten Erwartungen. Die Wangen gerötet von der Liebe, die sie empfand, aber nicht verstehen konnte. Ihr schwarzes Haar, das aus seinem langen, glänzenden Zopf fiel. Die wunderbare Zartheit ihres Nacht hemds, fein wie Sommerfäden, die über ihrer perfekten Haut schwebten.
Genau in diesem Moment erhob sich sein früheres Ich und fuhr herum. Als er vor sich den zauberhaften Anblick sah, stand ihm der Schmerz unübersehbar ins Gesicht geschrieben.
Wenn Daniel irgendetwas hätte tun können, um seinem früheren Ich zu helfen, diese Sache durchzustehen, hätte er es getan. Doch er konnte nur von seinen Lippen ablesen.
Was machst du hier?
Luce kam näher und die Röte stieg ihr in die Wangen. Sie beide bewegten sich wie Magnete – angezogen von einer Kraft, die in einem Moment stärker war als sie selbst, nur um im nächsten Moment mit fast derselben Wucht voneinander abgestoßen zu werden.
Daniel schwebte draußen vor dem Fenster und litt.
Er konnte nicht zusehen. Er musste zusehen.
Die Art, wie sie sich einander näherten, war zaghaft bis zu dem Moment, da sie sich berührten. Dann wurden sie sofort von einer hungrigen Leidenschaft erfasst. Sie küssten sich nicht einmal, sondern redeten nur. Als ihre Lippen, ihre Seelen einander beinahe berührten, bildete sich um sie herum eine reine weiß glühende Aura, die keiner von ihnen wahrnahm.
Es war etwas, das Daniel noch nie von außen beobachtet hatte.
War es das, worauf Luce aus war? Ein sichtbarer Beweis dafür, wie echt ihre Liebe war? Für Daniel gehörte ihre Liebe zu ihm wie seine Flügel. Aber für Luce musste es anders sein. Sie hatte keinen Zugang zu der Pracht ihrer Liebe. Nur zu ihrem feurigen Ende.
Jeder Augenblick musste eine absolute Offenbarung sein.
Er legte die Wange an die Glasscheibe und seufzte. Im Innern des Raums gab sein früheres Ich nach und verlor die Entschlossenheit, die ohnehin von Anfang an eine Scharade gewesen war. Seine Taschen waren gepackt, aber es war Lucinda, die würde gehen müssen.
Jetzt nahm sein früheres Ich sie in die Arme, selbst durchs Fenster konnte Daniel den vollen süßen Duft ihrer Haut riechen. Er beneidete sich selbst, wie er ihren Hals küsste und ihr mit den Händen über den Rücken glitt. Sein Verlangen war so stark, dass es das Fenster hätte zerschmettern können, hätte er sich nicht mit Gewalt zurückgehalten.
Oh, zieh es in die Länge, schickte er seinem früheren Ich eine stumme Botschaft. Lass es ein klein wenig länger dauern. Noch einen einzigen Kuss. Eine weitere süße Berührung, bevor der Raum erzittert und die Verkünder beginnen, in ihren Schatten zu beben.
Das Glas an seiner Wange wurde warm. Es geschah.
Er wollte die Augen schließen, aber er konnte es nicht. Lucinda wand sich in den Armen seines früheren Ichs. Ihr Gesicht verzerrte sich vor Schmerz. Sie sah auf, und ihre Augen weiteten sich beim Anblick der Schatten, die an der Decke tanzten. Die allmähliche Erkenntnis von irgendetwas war bereits zu viel für sie.
Sie schrie.
Und zerbarst in einem glühenden Flammensturm.
Daniels früheres Ich wurde gegen die Wand und dann zu Boden geschleudert. Das Gesicht im Teppich vergraben, blieb er zitternd liegen.
Daniel sah mit einer Ehrfurcht zu, die er früher nie hatte aufbringen können, wie das Feuer in der Luft und an den Wänden immer höher stieg. Es zischte wie eine Soße, die im Topf siedete – und dann verschwand es und hinterließ keine Spur von ihr.
Ein Wunder. Jede einzelne Faser von Daniels Körper kribbelte. Wenn es sein früheres Ich nicht so vollkommen niedergeschmettert hätte, hätte er das Spektakel von Lucindas Tod beinahe schön finden können.
Sein altes Ich kam langsam auf die Füße. Der Mund stand ihm offen und seine Flügel schossen aus seinem schwarzen Frack und nahmen den größten Teil des Raumes ein. Dann ballte er die Fäuste gen Himmel und brüllte.
Daniel konnte es nicht länger ertragen. Er rammte seinen Flügel durchs Fenster, sodass Glassplitter in die Nacht hinausflogen. Dann schoss er durch das scharfkantige Loch.
»Was hast du hier zu suchen?«, stieß sein früheres Ich hervor. Tränen strömten ihm über die Wangen. Da jetzt beide Flügelpaare voll ausgestreckt waren, war in dem riesigen Salon kaum noch Platz für sie. Sie nahmen die Schultern so weit wie möglich zurück, um Abstand zu gewinnen. Beide wussten, wie gefährlich es war, sich zu
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