Engelsflammen: Band 3 (German Edition)
der um den ganzen ersten Stock des Palastes lief.
Die Nacht war sternenhell. Luce wollte nichts weiter, als in Daniels Armen sein und zu diesen Sternen emporzufliegen. Wenn er nur hier an ihrer Seite wäre, um sie weit fortzubringen …
»Was machst du hier draußen?«
Sie fuhr herum. Er war zu ihr gekommen. Er stand auf der anderen Seite des Balkons in schlichten Dienstbotenkleidern und wirkte verwirrt, erschrocken und tragisch, hoffnungslos verliebt.
»Daniel.« Sie eilte zu ihm. Auch er bewegte sich auf sie zu, und seine violetten Augen leuchteten auf, er riss die Arme auseinander und strahlte sie an. Als sie sich endlich eng umschlungen hielten, dachte Luce, sie würde vor Glück zerplatzen.
Aber das tat sie nicht.
Sie legte einfach den Kopf an seine wunderbare breite Brust. Sie war zu Hause. Er schlang seine Arme um sie und zog sie so nah wie möglich an sich heran. Sie spürte seinen Atem und roch den kräftigen Duft von Stroh an seinem Hals. Luce küsste ihn unter dem linken Ohr, dann unterm Kinn. Sanfte, leichte Küsse, bis sie seine Lippen erreichte, die sich unter ihren teilten. Die Küsse wurden länger, erfüllt von einer Liebe, die aus den Tiefen ihrer Seele zu strömen schien.
Schließlich löste Luce sich aus der Umarmung und sah Daniel in die Augen. »Ich habe dich so vermisst.«
Daniel lachte leise. »Ich habe dich auch vermisst, in diesen letzten … drei Stunden. Geht es – geht es dir gut?«
Luce fuhr mit den Fingern durch Daniels seidiges blondes Haar. »Ich brauchte nur etwas frische Luft und dich.« Sie drückte ihn fest an sich.
Daniel kniff die Augen zusammen. »Ich denke nicht, dass wir hier draußen sein sollten, Lys. Sie erwarten dich sicher wieder im Empfangsraum.«
»Das ist mir egal. Ich gehe da nicht wieder rein. Und ich würde dieses Schwein niemals heiraten. Ich werde dich und niemand anderen heiraten.«
»Scht.« Daniel zuckte zusammen und strich ihr mit dem Finger über die Wange. »Jemand könnte dich hören. Sie haben schon für weniger Köpfe abgeschlagen.«
» Es hat Euch tatsächlich jemand gehört«, rief eine Stimme aus der offenen Tür. Der Duc de Bourbon stand da, die Arme vor der Brust verschränkt, und feixte beim Anblick von Lys in den Armen eines gewöhnlichen Dieners. »Ich glaube, davon sollte der König erfahren.« Und dann verschwand er wieder im Palast.
Luce’ Herz raste, getrieben von Lys’ und ihrer eigenen Furcht: Hatte sie die Geschichte verändert? Sollte Lys’ Leben anders weitergehen?
Aber Luce konnte es nicht wissen. Das war es, was Roland zu ihr gesagt hatte: Ihre Änderungen in der Zeit würden sofort ein Teil dessen werden, was geschehen war. Doch Luce war immer noch hier. Wenn sie also die Geschichte veränderte, indem sie den König einfach sitzen ließ – nun, für die Lucinda Price des einundzwanzigsten Jahrhunderts schien es keine Rolle zu spielen.
Als sie mit Daniel sprach, war ihre Stimme ruhig. »Es ist mir egal, ob dieser abscheuliche Herzog mich tötet. Eher sterbe ich, als dass ich dich aufgebe.«
Ein heißer Schauer durchfuhr sie und sie taumelte. »Oh«, sagte sie und legte eine Hand an den Kopf. Sie kannte das Gefühl irgendwie, wie etwas, das sie schon tausend Mal wahrgenommen hatte, ohne es zu beachten.
»Lys«, flüsterte er. »Weißt du, was kommt?«
»Ja«, flüsterte sie zurück.
»Und du weißt, dass ich bis zum Ende bei dir bleibe?« Daniel sah sie durchdringend mit einem zärtlichen und besorgten Ausdruck an. Er belog sie nicht. Er hatte sie nie belogen. Er würde es auch nie tun. Das wusste sie jetzt, sie konnte es sehen. Er offenbarte gerade genug, um sie noch wenige Augenblicke länger am Leben zu erhalten, um all das anzudeuten, was Luce bereits allein herauszufinden im Begriff war.
»Ja.« Sie schloss die Augen. »Aber da ist noch so vieles, das ich nicht verstehe. Ich weiß nicht, was ich tun kann, damit dies nicht mehr geschieht. Ich weiß nicht, wie ich diesen Fluch brechen kann.«
Daniel lächelte, aber in seinen Augen schwammen Tränen.
Luce hatte keine Angst. Sie fühlte sich frei. Freier, als sie sich je zuvor gefühlt hatte.
Eine seltsame, tiefe Erkenntnis wuchs in ihr. Irgendetwas in ihrem Kopf wurde klarer. Ein Kuss von Daniel würde eine Tür öffnen und sie vor einer lieblosen Ehe mit einem verzogenen Bengel retten, würde sie aus dem Käfig dieses Körpers befreien. Dieses Körpers, der nicht wirklich sie war. Er war nur eine Hülle, Teil einer Bestrafung. Und deshalb war der Tod
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