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Engelsflammen: Band 3 (German Edition)

Engelsflammen: Band 3 (German Edition)

Titel: Engelsflammen: Band 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
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sie einem Gefühl der Klarheit noch nie zuvor gekommen. Sie würde noch einmal 3D erleben. Sie würde ihre Leben bis zum Ende verfolgen, eins nach dem anderen, bis sie in einem dieser Leben den genauen Grund herausfand, warum es geschah.
    Und dann würde sie diesen Fluch brechen.

Zwölf
    Der Gefangene
    P ARIS , F RANKREICH , 1. D EZEMBER 1723
    Daniel fluchte.
    Der Verkünder hatte ihn auf ein Bett aus feuchtem, schmutzigem Stroh gekippt. Er rollte sich herum und setzte sich auf, den Rücken an eine eisige Steinwand gedrückt. Von der Decke fielen kalte, ölige Tropfen auf seine Stirn, aber es war nicht hell genug, um zu sehen, was es war.
    Ihm gegenüber befand sich ein offener Fensterschlitz, grob in den Stein gehauen und kaum breit genug, um eine Faust hindurchzustecken. Das Fenster ließ nur einen Streifen Mondlicht herein, aber genug stürmische Nachtluft, um die Temperatur bis fast auf den Gefrierpunkt zu senken.
    Er konnte die Ratten nicht sehen, die durch die Zelle huschten, aber er konnte ihre Körper spüren, wenn sie durch das verfaulte Stroh unter seinen Beinen schlüpften. Er konnte ihre scharfen Zähne spüren, wenn sie an dem Leder seiner Schuhe nagten. Er konnte kaum atmen, so sehr stanken ihre Exkremente. Schließlich trat er um sich und es folgte ein Kreischen. Dann zog er die Füße unter sich und hockte sich hin.
    »Du bist spät dran.«
    Daniel fuhr der Schreck in die Glieder. Er hatte unvorsichtigerweise angenommen, er sei allein. Es war ein trockenes, heiseres Flüstern, aber trotzdem war die Stimme vertraut.
    Dann hörte er ein Kratzen, wie von Metall, das über Stein gezogen wurde. Daniel versteifte sich, als sich aus der Dunkelheit ein schwärzeres Stück Schatten löste, und beugte sich vor. Die Gestalt bewegte sich in das hellgraue Licht unter dem Fenster, wo schließlich der Umriss eines Gesichtes schwach sichtbar wurde.
    Seines eigenen Gesichtes.
    Er hatte diese Zelle, diese Strafe vergessen. Hier war er also gelandet.
    In mancher Hinsicht sah Daniels früheres Ich genauso aus wie er jetzt: Dieselbe Nase, derselbe Mund, derselbe Abstand zwischen denselben grauen Augen. Sein Haar war ungepflegter und steif vor Fett, aber es war von dem gleichen hellen Goldton wie jetzt. Und doch sah der Gefangene Daniel so anders aus. Sein Gesicht war schrecklich ausgezehrt und bleich, seine Stirn war dreckverschmiert. Sein Körper wirkte ausgemergelt und seine Haut war mit Schweißperlen bedeckt.
    Das war es, was ihre Abwesenheit ihm antat. Ja, er trug die Kugel und die Kette eines Gefangenen – aber der wirkliche Gefängniswärter hier war seine eigene Schuld.
    Jetzt fiel ihm alles wieder ein. Und er erinnerte sich an den Besuch seines zukünftigen Ichs und an ein frustrierendes, bitteres Gespräch. Paris. Die Bastille. Wo ihn die Wachen des Duc de Bourbon eingesperrt hatten, nachdem Lys aus dem Palast verschwunden war. Es hatte andere Gefängnisse, härtere Lebensbedingungen und schlechteres Essen in Daniels Dasein gegeben, aber die Unbarmherzigkeit seines eigenen Bedauerns in jenem Jahr in der Bastille war eine der härtesten Prüfungen, die er jemals überstanden hatte.
    Einiges, aber nicht alles davon, hatte mit der Ungerechtigkeit zu tun, dass man ihn wegen ihrer Ermordung angeklagt hatte.
    Aber …
    Wenn Daniel bereits hier war, eingesperrt in die Bastille, bedeutete das, dass Lys längst tot war. Also war Luce schon hier gewesen … und wieder gegangen.
    Sein früheres Ich hatte recht. Er war spät dran – zu spät.
    »Warte«, sagte er zu dem Gefangenen in der Dunkelheit und rückte näher heran, aber nicht so nah, dass sie Gefahr liefen, sich zu berühren. »Woher wusstest du, weshalb ich zurückgekommen bin?«
    Das Scharren der über den Stein geschleiften Kugel sagte ihm, dass sein früheres Ich sich an die Wand zurückgelehnt hatte. »Du bist nicht der Erste, der auf der Suche nach ihr hier durchkommt.«
    Daniels Flügel brannten und ließen einen heißen Schauer über seine Schultern laufen. »Cam.«
    »Nein, nicht Cam«, antwortete sein früheres Ich. »Zwei Jugendliche.«
    »Shelby?« Jetzt schlug Daniel mit der Faust auf den Steinboden. »Und der andere … Miles. Das ist doch nicht dein Ernst? Diese Nephilim? Sie waren hier?«
    »Vor etwa einem Monat, denke ich.« Er deutete auf die Wand hinter sich, wo eine schiefe Strichliste in den Stein geritzt war. »Ich habe versucht, mir den Tag zu notieren, aber du weißt, wie es ist. Man verliert jedes Zeitgefühl.«
    »Ich erinnere mich.«

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