Engelsflammen: Band 3 (German Edition)
hoffnungsvollen Augen an.
Aber er richtete den Blick auf Luce. Mit einem zufriedenen Grinsen, bei dem sich ihr der Magen umdrehte.
»Die da.« Er streckte träge die Hand nach ihr aus. »Ich will sie mir aus der Nähe ansehen.«
Der Herzog erschien neben Luce und schob sie sanft mit seinen langen, eisigen Fingern an den Schultern vorwärts. »Stellen Sie sich vor, Prinzessin«, sagte er leise. »Diese Gelegenheit bietet sich nur einmal im Leben.«
Innerlich stöhnte der Teil, der Luce war, aber nach außen hatte Lys das Kommando, und die schwebte geradezu nach vorne, um den König zu grüßen. Sie knickste, neigte dabei vorbildhaft ihren Kopf und streckte die Hand zum Kuss aus. Es war das, was ihre Familie von ihr erwartete.
»Wirst du irgendwann fett werden?«, platzte der König heraus und betrachtete ihre in das Korsett gezwängte Taille. »Ich mag es, wie sie jetzt aussieht«, bemerkte er zum Herzog. »Ich will nicht, dass sie fett wird.«
Wäre Luce in ihrem eigenen Körper gewesen, hätte sie dem König vielleicht genau gesagt, was sie von seiner unattraktiven Erscheinung hielt. Aber Lys blieb vollkommen gelassen, und Luce spürte, wie sie selbst antwortete: »Ich möchte hoffen, dass ich dem König immer mit meinem Aussehen und mit meinem Temperament gefalle.«
»Ja, natürlich«, schnurrte der Herzog und schritt in einem engen Kreis um Luce herum. »Ich bin mir sicher, dass seine Majestät dafür sorgen könnte, dass die Prinzessin eine Diät seiner Wahl einhält.«
»Was ist mit der Jagd?«, fragte der König.
»Euer Majestät«, begann der Herzog, »das ist für eine Königin nicht geziemend. Ihr habt allerhand andere Jagdgefährten. Mich zu Beispiel …«
»Mein Vater ist ein hervorragender Jäger«, unterbrach ihn Luce. Ihre Gedanken überschlugen sich, und sie suchte nach etwas – irgendetwas –, das ihr helfen würde, dieser Szene zu entfliehen.
»Sollte ich das Bett dann mit deinem Vater teilen?«, höhnte der König.
»Da ich weiß, dass Eure Majestät Waffen lieben«, sagte Luce und bemühte sich um einen höflichen Tonfall, »habe ich Euch ein Geschenk mitgebracht – das kostbarste Jagdgewehr meines Vaters. Er hat mich gebeten, es Euch heute Abend zu übergeben, aber ich war mir nicht sicher, wann ich das Vergnügen haben würde, Eure Bekanntschaft zu machen.«
Sie hatte die volle Aufmerksamkeit des Königs. Er hockte auf der Kante seines Thrones.
»Wie sieht es denn aus? Sind Juwelen in den Kolben eingearbeitet?«
»Der … der Schaft ist aus handgeschnitztem Kirschholz«, antwortete sie und lieferte dem König die Einzelheiten, die ihr Bill, der neben dem Stuhl des Königs stand, zurief. »Die Bohrung wurde gefräst von … von …«
»Oh, was würde beeindruckend klingen? Von einem russischen Metallarbeiter, der inzwischen für den Zaren arbeitet.« Bill beugte sich über die Pasteten des Königs und beschnüffelte sie hungrig. »Die sehen gut aus.«
Luce wiederholte Bills Spruch und fügte dann hinzu: »Ich könnte Eurer Majestät das Gewehr bringen, wenn Ihr mir nur erlauben würdet, es aus meinen Gemächern zu holen …«
»Ein Diener kann das Gewehr unzweifelhaft morgen herbeibringen«, fiel der Herzog ihr ins Wort.
»Ich will es jetzt sehen.« Der König verschränkte die Arme und sah dadurch noch jünger aus, als er tatsächlich war.
»Bitte.« Luce wandte sich an den Herzog. »Es würde mir große Freude bereiten, das Gewehr seiner Majestät selbst zu überreichen.«
»Geht.« Der König schnippte mit den Fingern und Luce war entlassen.
Sie wollte auf dem Absatz herumwirbeln, aber Lys wusste es besser – man wandte dem König niemals den Rücken zu –, verneigte sich und ging rückwärts aus dem Raum. Sie zeigte die anmutigste Zurückhaltung und glitt hinaus, als habe sie keine Füße – bis sie auf der anderen Seite der Spiegeltür war.
Dann rannte sie los.
Durch den Ballsaal, vorbei an den prächtigen Tanzpaaren und dem Orchester, schwirrte sie von einem Raum in Pastellgelb in den nächsten, der ganz in einem kräftigen Zartgrün gehalten war. Sie lief an japsenden Damen und ächzenden Herren vorbei, über Parkett und dicke, üppige Perserteppiche, bis die Lichter schwächer und die Gäste weniger wurden, und endlich fand sie die Sprossentüren, die nach draußen führten. Sie stieß sie auf und atmete in ihrem Korsett tief ein, um die frische Luft der Freiheit in ihre Lungen zu saugen. Dann trat sie auf einen riesigen Balkon aus leuchtend weißem Marmor,
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