Engelsflammen: Band 3 (German Edition)
Daniel schauderte. »Aber die Nephilim. Hast du mit ihnen geredet?« Er zermarterte sich das Gehirn, und schwache Bilder von seiner Einkerkerung stiegen in ihm auf, Bilder von einem Mädchen und einem Jungen. Er hatte sie immer für Phantome der Trauer gehalten, für zwei weitere Wahnvorstellungen, die ihn quälten, nachdem sie gegangen und er ein weiteres Mal allein war.
»Nur kurz.« Die Stimme des Gefangenen klang müde und wie aus weiter Ferne. »Sie waren nicht besonders an mi r interessiert.«
»Gut.«
»Sobald sie herausfanden, dass sie tot war, hatten sie es plötzlich sehr eilig, weiterzukommen.« Seine grauen Augen waren unheimlich und durchdringend. »Was wir beide verstehen können.«
»Wohin sind sie gegangen?«
»Keine Ahnung.« Der Gefangene lächelte ein Lächeln, das zu groß war für sein mageres Gesicht. »Ich glaube, sie wussten es selbst nicht. Du hättest sehen sollen, wie lange sie gebraucht haben, um einen Verkünder zu öffnen. Haben ausgesehen wie zwei Tollpatsche.«
Daniel musste unwillkürlich lachen.
»Es ist nicht komisch«, bemerkte sein früheres Ich. »Sie haben sie wirklich gern.«
Aber Daniel empfand keine Zuneigung zu den Nephilim. »Sie sind eine Bedrohung für uns alle. Der Schaden, den sie anrichten könnten …« Er schloss die Augen. »Sie haben keine Ahnung, was sie tun.«
»Warum bekommst du Luce nicht zu fassen, Daniel?« Sein früheres Ich lachte trocken. »Wir haben einander im Laufe der Jahrtausende schon gesehen – ich erinnere mich daran, dass du ihr nachgejagt bist. Und dass du sie nie eingeholt hast.«
»Ich – ich weiß nicht.« Die Worte blieben Daniel im Hals stecken und er unterdrückte zitternd ein Schluchzen. »Ich kann sie nicht erreichen. Irgendwie komme ich jedes Mal einen Herzschlag zu spät, als ob jemand oder etwas hinter den Kulissen daran arbeitet, mich von ihr fernzuhalten.«
»Deine Verkünder werden dich immer dort hinbringen, wo du sein musst.«
»Ich muss bei ihr sein.«
»Vielleicht wissen sie besser als du selbst, was du brauchst.«
»Was?«
»Vielleicht soll sie nicht aufgehalten werden.« Der Gefangene rasselte teilnahmslos mit seiner Kette. »Dass sie überhaupt reisen kann, bedeutet, dass sich etwas Grundlegendes verändert hat. Vielleicht kannst du sie nicht einfangen, bis sie diese Veränderung in den ursprünglichen Fluch eingearbeitet hat.«
»Aber …« Er wusste nicht, was er sagen sollte. Das Schluchzen stieg in Daniels Brust empor und erstickte sein Herz in einer Welle der Scham und des Kummers. »Sie braucht mich. Jede Sekunde ist eine verlorene Ewigkeit. Und wenn sie einen Fehler macht, könnte alles verloren sein. Sie könnte die Vergangenheit verändern und … aufhören zu existieren.«
»Aber das ist doch das Wesen des Risikos. Du setzt alles auf die kleinste Hoffnung.« Sein früheres Ich streckte die Hand aus und berührte beinahe Daniels Arm. Sie beide wollten eine Verbindung spüren. Im letzten Moment zuckte Daniel zurück.
Sein vergangenes Ich seufzte. »Was ist, wenn du es bist, Daniel? Was, wenn du derjenige bist, der die Vergangenheit ändern muss? Was, wenn du Luce nicht zu fassen bekommst, bis du den Fluch umgeschrieben hast, um ein Schlupfloch einzubauen?«
»Unmöglich.« Daniel schnaubte. »Sieh mich doch an. Sieh dich an. Ohne sie geht es uns furchtbar. Wir sind nichts, wenn wir nicht bei Lucinda sind. Es gibt keinen Grund, warum meine Seele sie nicht so schnell wie möglich finden möchte.«
Daniel wollte von hier fortfliegen. Aber etwas nagte an ihm.
»Warum hast du nicht angeboten, mich zu begleiten?«, fragte er schließlich. »Ich würde es natürlich ablehnen, aber einige der anderen – als ich mir selbst in einem anderen Leben begegnet bin – wollten sich mir anschließen. Warum willst du es nicht?«
Eine Ratte kroch am Bein des Gefangenen entlang und hielt inne, um die blutigen Ketten an seinen Knöcheln zu beschnuppern.
»Ich bin einmal entkommen«, antwortete er langsam. »Erinnerst du dich?«
»Ja«, sagte Daniel, »du – wir sind entkommen, ganz am Anfang. Wir sind direkt nach Savoyen zurückgegangen.« Er blickte zu der falschen Hoffnung hinauf, die das Licht vor dem Fenster bot. »Warum haben wir das getan? Wir hätten wissen müssen, dass wir geradewegs in eine Falle spazieren.«
Der Gefangene lehnte sich zurück und klirrte mit den Ketten. »Wir hatten keine andere Wahl. Es war der Ort, der ihr am nächsten war.« Er holte rasselnd Atem. »Es ist so schwer, wenn sie von
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