Engelsfluch
kurzem als seinen Privatsekretär nach Rom geholt hatte.
»Buon giorno, signori!«, rief Luu ihnen entgegen. »Schön, dass Sie beide so schnell gekommen sind!«
Trotz der freundlichen Worte wirkte Luus Gesicht so ernst wie das von Werner Schardt. Falls Alexander das Klischee vom ewig lächelnden Asiaten im Hinterkopf gehabt hatte, sah er sich enttäuscht. Ohne eine Miene zu verziehen, bat Luu die beiden, ihm in den Apostolischen Palast zu folgen. Der Geistliche führte sie durch die Gänge zum privaten Arbeitszimmer Seiner Heiligkeit, das Alexander bereits kannte. Luu trat nach kurzem Anklopfen allein ein und winkte Alexander und Donati nach wenigen Sekunden, ihm zu folgen. Papst Custos saß in seiner weißen Soutane mit sorgenvollem Gesicht am Schreibtisch und telefonierte. »Ich will mit ihm persönlich sprechen!«, sagte er in energischem Tonfall.
»Wie, eine Aufwertung seines angemaßten Amtes? Das sehe ich nicht so. Noch wurde er nicht offiziell als Gegenpapst ausgerufen. Vielleicht können wir vorher zu einer Einigung kommen … Wie die aussehen soll?« Custos holte tief Luft und sah zur Decke hinauf, als flehe er Gott um eine Eingebung an.
»Kommt Zeit, kommt Rat. Stellen Sie erst einmal den Kontakt her, Monsignore! Ich warte auf Ihren Rückruf, danke.«
Mit einem schweren Seufzer legte der Papst den Hörer auf und starrte versunken auf die mit Papieren überhäufte Schreibtischplatte, als sei er ganz allein in diesem Raum. Das Arbeitszimmer wirkte aufgrund seiner mit Bücherregalen voll gestellten Wände reichlich dunkel, aber das schien der Stimmung des Heiligen Vaters nur angemessen. Als Custos endlich aufsah und sich zur Begrüßung erhob, wirkte das Lächeln auf seinem Gesicht angestrengt. Die tiefen Schatten unter seinen Augen verrieten, dass eine schlaflose Nacht hinter ihm lag. Trotz der großen Sorgen, die auf ihm lasteten, hieß er seine Gäste freundlich willkommen, und er bat sie, auf einer kleinen Sitzgruppe Platz zu nehmen.
»Sie haben es gehört, in Kürze werden wir einen zweiten Papst haben.« Custos seufzte erneut. »Jedenfalls dann, wenn es nach dem Willen der so genannten Heiligen Kirche des Wahren Glaubens geht.«
»Wer soll es werden?«, platzte Don Luu heraus, der damit auch das Klischee von der eisernen asiatischen Selbstbeherrschung widerlegte.
»Salvati«, sagte der Papst nur.
»Tomás Salvati?«, vergewisserte sich sein Privatsekretär. Der Papst nickte.
Luu ließ ein Geräusch hören, das an das wütende Knurren eines Hundes erinnerte. »Ich wusste, dass Salvati mit Ihrem Reformkurs nicht einverstanden ist, Heiligkeit. Ich hatte auch vermutet, dass er mit den Kirchenspaltern unter einer Decke steckt. Aber das?«
»Jetzt wissen wir, dass er auf der anderen Seite steht«, sagte Custos in sachlichem Ton. »Es heißt, seine Gegner zu kennen, sei der erste Schritt, um sie zu überwinden. Ich muss allerdings gestehen, dass ich wenig glücklich darüber bin, Salvati im anderen Lager zu wissen.«
»Verzeihen Sie meine Unwissenheit«, mischte Donati sich ein.
»Wer ist dieser Tomás Salvati?«
Die Antwort gab Alexander: »Ein verhältnismäßig junger, aber sehr charismatischer Mann, Leiter der Kongregation für religiöse Orden. Vorher war er Bischof von Messina.«
Custos wandte sich an Alexander, und diesmal wirkte das Lächeln des Papstes ungezwungen. »Bravo, mein Sohn, Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht, wie es sich für einen Vatikanberichterstatter gehört! ›Charismatisch‹ ist der richtige Ausdruck. Und energiegeladen. Ja, ich kann mir gut vorstellen, dass Salvati das Amt des Papstes ausfüllt. Unglücklicherweise hat er es nicht rechtmäßig inne.«
»Ich würde eher sagen, dass er es glücklicherweise nicht rechtmäßig innehat«, sagte Luu und wandte sich dann an Alexander. »Wo Seine Heiligkeit es gerade erwähnt, Signor Rosin: Sie müssen für den Augenblick Ihren neuen Beruf vergessen. Alles, was hier gesprochen wird, ist streng vertraulich.«
»Nichts anderes hatte ich erwartet«, erwiderte Alexander ohne jede Ironie. »Es liegt nicht in meiner Absicht, die Probleme der Kirche noch zu vergrößern.«
Custos sagte leise: »Derjenige, der hier die Probleme schafft, bin wohl ich. Meine Reformen sind es, die zur Kirchenspaltung geführt haben. Ich habe damit gerechnet, auf Widerstände zu stoßen, auf große Widerstände sogar, aber ich habe nicht mit einem Schisma gerechnet. Vielleicht war es ein Fehler, dass ich dieses Amt angetreten habe. Während der
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