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Engelsfluch

Engelsfluch

Titel: Engelsfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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Fabius Schreibers Reisetagebuch gekommen. Die Schrift war nur sehr mühsam zu entziffern gewesen, und irgendwann besiegte seine Müdigkeit seine Angst vor dem Einschlafen. Also hatte er das Buch nach dem ersten Kapitel beiseite gelegt und war in einen glücklicherweise traumlosen Schlaf gefallen. Jetzt fragte er sich, worauf der Reisebericht von Fabius Schreiber hinauslief.
    Interessanter als Fabius Schreibers aufregende Erlebnisse fand Enrico den Familiennamen des Räuberhauptmanns und seiner Schwester: Baldanello. So hatte auch seine Mutter vor ihrer Hochzeit geheißen. Was bedeutete, dass der Kontakt zwischen den Familien Schreiber und Baldanello zweihundert Jahre alt war. Lag hierin der Grund, warum seine Mutter ihm das Buch gegeben hatte? Enrico war gespannt auf die Fortsetzung der Lektüre.
    »Fahr langsam, da vorn kommen Hinweisschilder!«, machte Elena ihn aufmerksam.

    »Eine echte Kreuzung!«, staunte Enrico. »Das ist ja fast wie bei euch in Rom oder bei uns in Hannover.«
    An einem schiefen Holzpfahl waren ein paar Hinweisschilder befestigt, für die man in einem Antiquitätenladen vielleicht gutes Geld bekommen hätte. Auf einem konnten sie mit viel Mühe den Namen Borgo San Pietro entziffern.
    »Also nach rechts und dann immer der Nase nach«, sagte Enrico und steuerte den Fiat in die angegebene Richtung. »Was machst du eigentlich in Rom? Ich meine dann, wenn du nicht gerade aus der Stadt fliehst, um abgelegene Bergdörfer zu besichtigen.«
    »Dann stehe ich in einer Schule am Lehrerpult und unterrichte Kinder in Kunst und Geschichte.«
    »Oha. Zu meiner Zeit hat es so hübsche Lehrerinnen nicht gegeben. Ist auch besser so, das hätte mich nur vom Pauken abgelenkt.«
    »Und zu welchem Beruf hat dich deine Paukerei geführt?«
    »Ich bin Jurist.«
    »Ein Paragrafenreiter? Den stellt man sich auch anders vor.«
    »Ich kann gar nicht reiten. Und wie soll ich deiner Meinung nach rumlaufen? Mit schwarzer Robe durch die sonnenbestrahlte Toskana, den Aktenkoffer immer dabei?«
    »Keine Ahnung. Wie läufst du denn bei dir in Hannover rum?«
    »Bis vor kurzem genau so: mit schwarzer Robe und Aktenkoffer, wenn es in den Gerichtssaal ging. Ich habe als Rechtsanwalt gearbeitet. Aber zurzeit bin ich arbeitslos und darüber sogar froh. Ich muss niemanden um Urlaub bitten.
    Nachdem meine Mutter gestorben war und ich all ihre Angelegenheiten geregelt hatte, habe ich mir ein Flugticket nach Florenz gekauft und bin los. Einfach so.«
    »Ich wusste nicht, dass man als Rechtsanwalt arbeitslos werden kann. Ich dachte, die Menschen streiten und verklagen sich immer, und Straftaten werden auch immer begangen, eher mehr als weniger.«
    »Stimmt. Es gibt viele Rechtsstreitigkeiten und viele Straftaten, aber es gibt auch viele Juristen. Und etliche davon sind arbeitslos. Aber das ist, zumindest in Deutschland, ein Tabuthema. In meinem Fall war es so, dass ich als Angestellter in einer großen Kanzlei gearbeitet habe. Unser Senior war in krumme Geschäfte verwickelt und hatte Mandantengelder in beträchtlicher Höhe veruntreut. Ich spreche von einem zweistelligen Millionenbetrag. Als das aufflog, haben seine Partner so schnell wie möglich die Fliege gemacht. Und wo es keine Chefs mehr gab, benötigte man auch keine Angestellten mehr.«
    »Aber du musst nicht betteln gehen, oder?«
    »Meine beiden Staatsexamen waren nicht so ganz schlecht.
    Ich denke schon, dass ich bei Bedarf schnell wieder einen Job finde.«
    »Bei Bedarf? Willst du gar nicht wieder als Anwalt arbeiten?«
    »Ich weiß noch nicht, was ich in Zukunft machen werde. Ich habe festgestellt, dass es nicht meine Lebenserfüllung ist, sich tagein, tagaus mit den Streitereien fremder Leute zu befassen.
    Vielleicht werde ich Schriftsteller und schreibe ein Buch über meine Reiseabenteuer in Italien.«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Ach, nur so«, sagte Enrico, der Elena zum gegenwärtigen Zeitpunkt nichts von dem Reisetagebuch erzählen wollte. Er wollte erst selbst herausfinden, welche Bewandtnis es damit hatte.
    »Da musst du aber noch ein paar Abenteuer erleben, wenn du ein ganzes Buch füllen willst.«
    »Der Anfang ist doch schon mal gut. Ich habe eine junge, attraktive Italienerin kennen gelernt, und jetzt erkunde ich mit ihr zusammen ein geheimnisvolles Dorf in den Bergen.«
    »Wieso geheimnisvoll?«
    »Na, sieht das etwa nicht geheimnisvoll aus?«, erwiderte Enrico und zeigte nach vorn.
    Vor ihnen lichtete sich der Wald, und auf einer Hügelkuppe lag ein

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