Engelsfluch
Sie so höflich, als wären wir nicht irgendwo in der Einöde, sondern mitten in der Zivilisation.
Überhaupt sprechen Sie nicht so, wie ich es vom Anführer einer Räuberhorde erwartet hätte.«
Riccardo grinste von einer Bartspitze zur anderen. »Ich hoffe, Sie entschuldigen meinen gewählten Umgangston, aber ich habe mich nicht zeitlebens hier in den Bergen herumgetrieben, um Reisenden aufzulauern.«
»Und weshalb tun Sie es jetzt?«
»Weil mein Magen knurrt. Und der meiner Schwester und meiner Männer auch. Wir leben nicht gerade in einfachen Zeiten.«
Ich nickte und hätte gern mehr über das Schicksal Riccardos, besonders aber Marias erfahren. Doch die Situation erschien mir nicht angemessen. Deshalb fragte ich einfach nur, wie es mit mir weitergehen solle.
»Sie werden noch einige Zeit unser Gast bleiben, Signor Schreiber«, erklärte Riccardo. »Bis wir Ihren sonderbaren Auftraggeber ausfindig gemacht haben und er uns für unsere Aufwendungen entschädigt hat.«
»Für Ihre Aufwendungen?«, wiederholte ich langsam, jede Silbe betonend. »Wie soll ich das verstehen?«
Er zeigte mit theatralischer Geste erst auf den Kupferkessel über dem Feuer und dann zu der Höhle, aus der ich gekommen war. »Signore, Sie essen und trinken bei uns, Sie schlafen bei uns. Zudem hatten wir einige Mühe, Sie herzuschaffen. Halten Sie es nicht für angemessen, dass Ihr offenbar äußerst wohlhabender Auftraggeber uns dafür entschädigt? Ihm scheint sehr viel an Ihnen gelegen zu sein. Da wird er sich gewiss nicht lumpen lassen, wenn es gilt, Sie unbeschadet zurückzuerhalten.«
»Sie wollen Lösegeld erpressen!«
»Das ist ein hartes Wort. Ich bevorzuge den Ausdruck Aufwandsentschädigung.«
»Wie Sie es bezeichnen, bleibt sich gleich! Und überhaupt, wie wollen Sie meinen Auftraggeber ausfindig machen, wenn nicht einmal ich ihn kenne?«
»Die Umstände sprechen dafür, dass Sie fast am Ziel Ihrer Reise sind, Signor Schreiber. Der Kutscher, der Sie abgeholt hat, sollte Sie wohl zu Ihrem Auftraggeber bringen. Der muss also irgendwo hier in der Nähe zu finden sein. Ich habe einen Teil meiner Leute ausgeschickt, um ihn aufzuspüren. In wenigen Tagen dürften wir mehr wissen.«
Obwohl ich Marias Gesellschaft als überaus angenehm empfand, erfüllte mich die Aussicht, auf unbestimmte Zeit der Gefangene dieser Banditen zu sein, mit Abscheu. Riccardo mochte zu mir sprechen wie zu einem Gast, aber ich war nicht freier als ein Vogel in seinem Käfig. Ich suchte Blickkontakt zu Maria, wollte herausfinden, ob sie das Vorgehen ihres Bruders billigte, aber sie blickte fast krampfhaft zu Boden.
»Sie sind ein Lump, Riccardo!«, rief ich und sprang von dem Baumstamm auf. »Trotz Ihrer gewählten Worte sind Sie ein ebenso dreckiger und gemeiner Lump wie jeder Ihrer Männer!«
Ein Bandit, der mir gegenübergesessen hatte, sprang ebenfalls auf und sagte wütend: »Müssen wir uns das von diesem feinen Pinkel gefallen lassen, Riccardo? Er beleidigt uns und unsere Ehre!« Der große, muskulöse Mann, dessen Gesicht unter dem wuchernden Vollbart fast verschwand, trug ebenfalls eine Schärpe um den Leib, und darin steckten genug Hieb- und Schusswaffen, um einen ganzen Trupp auszurüsten.
Riccardo blieb ruhig sitzen. Sein Blick wanderte zwischen mir und dem schwer bewaffneten Banditen, der seine großen Hände zu Fäusten geballt hatte, hin und her. »Mit Gästen soll man höflich umgehen, aber Gäste haben auch die Pflicht, sich rücksichtsvoll zu verhalten. Du hast Recht, Rinaldo, unser Gast hat gegen diese Pflicht verstoßen. Meinetwegen erinnere ihn daran. Aber du solltest vorher deine Schärpe leeren.«
»Sehr gern!« Mit einem breiten Grinsen legte Rinaldo seine Waffen ab und trat dann langsam auf mich zu. Maria sah mich an und warf dann ihrem Bruder einen flehenden Blick zu, der aber schüttelte den Kopf. In Rinaldos stechendem Blick lag nicht der geringste Zweifel daran, dass er mir – mit oder ohne Waffen eine fürchterliche Lektion erteilen würde. Er grinste wie ein Kind, das sich auf das Gelingen eines besonders hinterhältigen Streiches freut, während er immer näher kam. Ich machte eilig ein paar Schritte vom Feuer weg.
»Was soll das, Feigling?«, rief Rinaldo. »Willst du vor dem Kampf fliehen?«
»Nein, aber ich will vermeiden, dass du in die Suppe fällst.
Zu viel fettes Fleisch zu Mittag macht deine Kumpane nur träge.«
Das brüllende Gelächter der anderen ließ Rinaldo erröten, soweit das unter seinem
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