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Engelsfluch

Engelsfluch

Titel: Engelsfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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Bartgestrüpp zu erkennen war. »Wenn ich dich erst in den Fingern habe, wird dir die Lust zu weiteren Scherzen schnell vergehen!«, knurrte er und setzte mir im Laufschritt nach. Er war jetzt weniger achtsam als zuvor, und genau darauf hatte ich gehofft. Ich tat so, als wolle ich dem Angriff standhalten, wich aber im letzten Augenblick zur Seite aus und ließ nur ein Bein ausgestreckt, über das mein Gegner stolperte. Er taumelte und schlug wenig elegant auf dem Boden auf, was bei seinen Kumpanen zu neuerlichem Gelächter führte.
    Kurz sah ich Maria an und bemerkte, dass sie mich mit bangem Blick beobachtete. War es die bloße Sorge um ihren Patienten, oder bedeutete ich ihr mehr? Rinaldo kam schnaufend auf die Beine, klopfte den Staub aus seinen Kleidern und dröhnte: »Willst du nicht kämpfen, Hund? Kannst du nichts anderes als davonlaufen?«
    »Das muss ich gar nicht, du stolperst ja über deine eigenen Füße!«
    Meine Provokation verleitete ihn zu einem neuen wütenden Angriff. Ich wollte zwei Schritte zurückweichen, um mehr Raum zum Manövrieren zu haben. Jetzt aber war es an mir, zu stolpern. Mit den Hacken verfing ich mich in einer abgestorbenen Baumwurzel, die ausgerechnet hier aufragte. Ich fiel rücklings zu Boden, und der Aufprall raubte mir für ein paar Sekunden den Atem. Wieder hörte ich raues Gelächter, und diesmal galt es unzweifelhaft mir.
    Rinaldo stand über mir und hielt einen kopfgroßen Stein in den Händen. Er grinste und hob die Arme, um den Stein mit möglichst großer Wucht auf mich zu werfen. Ich wollte mich zur Seite wegrollen, war aber noch von dem Sturz gelähmt.
    Schon sah ich meinen Schädel unter dem Aufprall zerquetscht, da taumelte Rinaldo auf einmal. Fast gleichzeitig hörte ich lautes Krachen wie von einem aus heiterem Himmel hereingebrochenen Gewitter. Schreie mischten sich in den Lärm.
    Rinaldo wankte und stürzte dicht neben mir zu Boden. Der Stein rollte aus seinen kraftlosen Händen. Rinaldo hatte nur noch ein Auge und ein Ohr. Seine linke Kopfhälfte war ein Brei aus Blut, Knochensplittern und freigelegtem Gehirn. Um mich herum war ein Chaos ausgebrochen. Die Banditen liefen vom Feuer weg, ohne sonderlich weit zu kommen. Immer wieder krachten die Schüsse – nichts anderes war der unaufhörliche Donner –, und ein Gesetzloser nach dem anderen brach getroffen zusammen.
    Von den bewaldeten Hügeln liefen uniformierte Männer herbei, und neben mich kniete sich ein Offizier. Er trug eine französische Uniform und sagte auf Französisch: »Monsieur Schreiber? Bon, Hauptmann Jacques Lenoir, zu Ihren Diensten.«
    Er half mir auf, und ich sah, dass es mit den Banditen zu Ende ging. Sie starben unter Musketenkugeln und Bajonettstichen, wenn sie nicht schon reglose Haufen verblutenden Fleisches waren. Im Schatten einer Hütte kauerten Arm in Arm Maria und ihr Bruder, von mehreren Bajonetten bedroht. Riccardo blutete aus zwei oder drei Wunden, und eine blutige Furche zog sich quer über seine Stirn.
    »Halt!«, schrie ich, und Marias Anblick erfüllte meine Stimme mit Panik. »Die beiden sind meine Diener!«
    Ein Wink des Hauptmanns, und die Soldaten ließen ihre Bajonette sinken. Maria sah mich dankbar an, aber Riccardos Blick konnte ich nicht deuten. Gab er mir die Schuld am Tod seiner Männer? Ich blickte um mich und fand keinen einzigen Banditen, der noch kampffähig war. Einige waren noch am Leben, aber die Bajonette der französischen Soldaten änderten das schnell. Entsetzt wandte ich mich an den Hauptmann und fragte ihn, warum die hilflosen Verwundeten getötet wurden.
    Lenoir sah mich verständnislos an. »Aber es sind doch nur Banditen!«

4
    Nördliche Toskana,
    Mittwoch, 23. September
    Die schmale Bergstraße war derart gewunden, dass Enrico Schreiber das Lenkrad ständig von einer Richtung in die andere kurbeln musste, um den kleinen Fiat-Mietwagen auf der nur mangelhaft befestigten Fahrbahn in der Spur zu halten. Immer wieder knirschten Zweige und kleine Steine unter den Rädern.
    Zu beiden Seiten der diese Bezeichnung kaum mit Recht tragenden Straße ragte dichter Wald auf, dessen Blätterdach sich an vielen Stellen über der Fahrbahn schloss. Enrico hatte häufig das Gefühl, durch einen Tunnel zu fahren. Wurde der Wald einmal etwas lichter, bildeten die gleißenden Strahlen der Vormittagssonne einen unangenehmen Kontrast zum Walddunkel, der seine Augen blendete und das Fahren nicht gerade einfacher machte.
    »Zum Glück habe ich mich am Mietwagenschalter auf

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