Engelsfuerst
wir sind Soldaten. Wir fragen nicht. Wir sagen
nur ›Zu Befehl‹ und gehorchen. Verstanden, Hofer?«
» Zu Befehl , Herr Leutnant.«
Klameth teilte Hofers Verwunderung durchaus.
Aber es brachte nichts, sich den Kopf zu zerbrechen,
sie waren die Leibwache des Papstes, gleich, ob im
Vatikan oder auf diesem windumtosten Berg. Papst
Lucius hatte für sein Hiersein gewiß gute Gründe. Allerdings hätte Klameth gern mehr darüber gewußt,
nicht aus Neugier, sondern weil es ihm seine Aufgabe,
das Leben des Heiligen Vaters zu beschützen, erleichtert hätte. Bestand hier oben eine konkrete Gefahr für
Lucius? Wohl kaum, denn dann wären mehr als drei
Gardisten hergeschickt worden.
Noch nie in den fünf Jahren, die er jetzt bei der
Garde diente, war er mit so wenig Hintergrundinformationen in einen Auftrag gegangen wie bei dem
überstürzten Aufbruch heute. Wenig Informationen?
Er mußte ein Lachen unterdrücken, aber das war
wirklich ein Witz. Sie wußten rein gar nichts! Schritte
näherten sich, und zwei Mönche erschienen in dem
Gang: der Abt und ein hagerer Mann mit seltsam ausdruckslosen Augen.
Wenn Klameth sich richtig erinnerte, hatte der Abt
den anderen zuvor Ambrosio genannt. Sie trugen jeder eine schlichte Suppenschale in Händen, und in jeder Schale steckte ein Löffel.
»Die Gemüsesuppe ist fertig«, sagte Tommasio, als
die Mönche vor ihnen standen. »Es ist nur ein einfaches Mahl, aber gesund und kräftigend. Genau das
Richtige bei diesem Wetter.«
Hofer blickte seinen Vorgesetzten fragend an, und
Klameth nickte. Rasch lehnte Hofer sein Sturmgewehr an die Wand und nahm dankbar die Suppenschale aus Bruder Ambrosios Händen. Klameth nahm
Tommasios Schale und probierte die Suppe vorsichtig.
Sie war nicht zu heiß, schmeckte gut und schickte
wohlige Wärme durch seine Glieder.
Ihm wurde so warm, daß von einer Sekunde zur
anderen Schweiß auf seine Stirn trat. Er wollte ihn
fortwischen, fühlte sich aber zu schlapp, um die Hand
zu heben.
Der Abt streckte die Arme nach ihm aus. Nach
ihm? Nein, nach der Schüssel. Tommasio entwand das
Gefäß seiner zitternden Hand, kurz bevor er es fallengelassen hätte. Ambrosio hatte Hofers Schüssel an
sich genommen und auf den Boden gestellt.
Für Klameth sah es aus wie in Zeitlupe, als Hofers
langer Körper in sich zusammensackte und auf den
Boden sank.
Seltsamerweise löste Ambrosio die Kordel von seiner Kutte. Er formte eine Schlinge daraus, legte sie
Hofer um den Hals und zog sie zu. Hofers Augen
wurden groß, sein Leib zuckte noch einmal, dann lag
er reglos am Boden.
Es war diese verdammte Suppe, die sie hilflos machte! Klameth nahm all seine Kraft zusammen und riß
den Verschluß seiner Pistolentasche auf. Die Finger
seiner Rechten berührten den Griff der P 225, aber er
schaffte es nicht, sie herauszuziehen.
Rücklings gegen die Wand gelehnt, rutschte er zu
Boden und sah, wie auch der Abt die Kordel von seiner Kutte löste. Die Schlinge legte sich um Klameths
Hals. Diese verdammte Suppe!
»Ich bringe Ihnen etwas Gemüsesuppe. Sie können
bestimmt etwas Warmes vertragen.«
Mit diesen Worten kam Bruder Giuseppe, eine
Suppenschale in der rechten Hand, auf Roland Kübler
zu. Wegen des Regens ging der Mönch mit dem rundlichen Gesicht so schnell, wie seine lange Kutte es nur
erlaubte, wobei er die Kutte mit der Linken etwas
raffte. Ein bißchen sah er aus wie Bruder Tuck in den
alten Robin-Hood-Filmen. Ein überaus komischer
Anblick, der Kübler unter anderen Umständen zum
Lachen gebracht hätte. Aber jetzt war ihm nicht nach
lachen zumute. Etwas beschäftigte ihn, als rufe ihm
jemand eine Warnung zu, die er nicht verstand.
Giuseppe trat unter das schadhafte Vordach und hielt
Kübler die Schale hin. »Bitte sehr, nehmen Sie nur. Bruder Ambrosio hat sie extra für Sie und Ihre Kameraden
gekocht, damit Sie etwas Warmes im Magen haben.«
»Danke«, sagte Kübler und merkte, daß er ein
Kratzen im Hals hatte. Er würde wohl einen Schnupfen kriegen. Das verfluchte Wetter!
Er suchte nach einem trockenen Fleck auf dem Boden, stellte das Sturmgewehr hin und nahm dem
Mönch die Suppenschale ab. Wärme durchströmte
seine Hände. Er griff nach dem Löffel, aß aber nicht,
weil in seinem Kopf ein Gedanke aufgetaucht war und
allmählich konkrete Gestalt annahm. Kübler deutete
mit dem Löffel hinaus in den Regen, wo der Mercedes
stand. »Fahren Sie diesen Wagen häufiger?«
»Nein, wieso?« Ein verwirrter Zug trat auf Giuseppes
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