Engelsfuerst
eingegossen
und das Zimmer wieder verlassen hatte, ergriff Laura
das Wort, und der dunkle Unterton war aus ihrer
Stimme verschwunden. Sachlich sagte sie: »Ich war
damals sehr jung und sehr verliebt. Und Michel hat es
einer Frau leicht gemacht, in ihn verliebt zu sein. Ich
war nicht die einzige, die seinem Charme erlegen war.
Er war Franzose, hatte ganz dunkles Haar. Er war
Autorennfahrer, nicht aus der ersten Garde, aber bekannt genug, daß ihm überall willige junge und auch
nicht mehr ganz so junge Damen auflauerten. Um so
beeindruckter war die junge Journalistin Laura, als er
sich für sie entschied, wie du dir vorstellen kannst. Ich
hatte mir in den Kopf gesetzt, eine anerkannte Sportreporterin zu werden, was damals für eine Frau noch
ungewöhnlich war. Michel gewährte mir ein ausführliches Interview, und daraus wurde eine leidenschaftliche Liebesaffäre. Als die Kinder unterwegs waren,
machte er mir einen Heiratsantrag, und ich sagte sofort ja.«
Laura süßte ihren Tee mit einem Stück Zucker und
trank in kleinen Schlucken. Elena begriff, daß sie sich
sammelte – für den weniger schönen Teil ihrer Geschichte.
»Michel war ein verantwortungsbewußter Autofahrer, nie hat er die Straße mit der Rennbahn verwechselt. Aber an einem Augustabend, als wir in einer
Frascetta in Arricia saßen und Zukunftspläne schmiedeten, trank er zuviel vom Hauswein, und auf der
Rückfahrt wurde er leichtsinnig. Wir sind gegen einen
Baum geprallt. Ich hatte schwere Verletzungen im
Unterleib und verlor die Kinder. Michels rechter Arm
war deformiert und blieb verkrüppelt. Damit war seine Karriere beendet. Der Unfall hat immer zwischen
uns gestanden, oft gab es lauten Streit, und wenn
nicht, klangen uns die unausgesprochenen Vorwürfe
trotzdem in den Ohren. Noch bevor das Jahr um war,
haben wir uns getrennt, und seitdem habe ich Michel
nie wiedergesehen.«
»Du weißt nicht, was aus ihm geworden ist?«
»Doch. Vor ein paar Jahren habe ich zufällig einen
ehemaligen Rennfahrer getroffen, einen Deutschen,
der damals zum selben Rennstall gehörte wie Michel
und mit ihm befreundet war. Stefan hat mir erzählt,
daß Michel Manager bei einem Zulieferer für die Autoindustrie geworden ist. Und daß er Familie hat, eine
Frau und zwei Kinder.«
»Und du?« fragte Elena vorsichtig. »Hast du nie
wieder an Kinder gedacht?«
Laura blickte wieder auf Elenas Bauch, als könne
sie dort etwas sehen, das anderen verborgen war.
»Gedacht schon, aber dabei mußte es bleiben. Ich
habe bei dem Unfall nicht nur die Kinder verloren, ich
kann seitdem auch keine mehr bekommen. Vielleicht
war das auch ein Grund dafür, daß Michel und ich uns
getrennt haben. Ich habe mich dann ganz auf meinen
Beruf konzentriert. Hier sitze ich nun und bin seit
mehr als zwei Jahren Chefredakteurin einer der größten italienischen Tageszeitungen. Das Schicksal läßt
einen manchmal seltsame Haken schlagen.«
Elena nickte nur und dachte dabei an das Kind in
ihrem Bauch und an Alexander.
Als hätte Laura ihre Gedanken gelesen, fragte sie:
»Was macht dein Privatleben, Elena? Redet ihr wieder
miteinander, Alexander und du, ich meine, über persönliche Dinge?«
»Hast du uns ein Team bilden lassen, um uns wieder zusammenzubringen?«
Laura hob abwehrend die Hände. »Auf keinen Fall
will ich die Kupplerin spielen. Ich dachte nur, man
müßte euch wenigstens die Chance geben, miteinander ins Gespräch zu kommen. Außerdem seid ihr
zwei, beruflich gesehen, ein verdammt gutes Team. Insofern habe ich durchaus im Interesse des Messagero gehandelt.«
»Um deine Frage zu beantworten: Wir reden wieder miteinander, aber nicht besonders viel.«
»Besteht Hoffnung?«
»Heißt es nicht, die Hoffnung stirbt zuletzt?«
»Also gut, Elena, lassen wir das Thema ruhen, und
werden wir dienstlich. Was gibt es Neues aus der Welt
von Monsignori, Mördern und Mysterien?«
Elena berichtete von den Ereignissen in den Bergen
und beantwortete anschließend noch ein paar Fragen.
»Der eine Mörder ist entkommen, sagst du. Was ist
mit dem, den Alexander erschossen hat? Weiß die Polizei schon, wer er ist?«
»Nein. Die Polizei in Florenz arbeitet mit Hochdruck an der Identifizierung, aber bis jetzt ohne Erfolg. Vielleicht …«
Elena brach ab und griff nach der mattsilbernen
Teekanne, um sich nachzuschenken.
»Was hast du, Elena? Da ist doch noch was!«
»Ich sollte nicht darüber reden. Ich habe es versprochen.«
»Jetzt machst du es aber spannend! Ich verrate dich
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