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Engelsfuerst

Engelsfuerst

Titel: Engelsfuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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herrische Handbewegung des Abts ließ ihn verstummen.
»Keine Aufregung, dazu besteht kein Anlaß.
Kümmern Sie sich nur weiter um Ihren Sohn!«
Lucius war hin und her gerissen zwischen dem
Wunsch, Enrico zu helfen, und dem Drang, von Abt
Tommasio Aufklärung zu verlangen. Was sollte das
Ganze? Woher wußte der Abt, daß Enrico sein Sohn
war? Aber die Sorge um Enrico war stärker. Und im
Augenblick konnte er ohnehin nichts tun. Lucius verfügte über außergewöhnliche Kräfte, aber gegen eine
tödliche Kugel war er nicht gefeit. Also legte er die
Hände wieder auf Enricos Brust, schloß die Augen
und versuchte erneut, seine Stärke auf Enrico zu übertragen.
    Schritte drangen durch das Prasseln des Regens, und
von links vom Haupthaus her bewegte sich ein Schatten auf Kübler zu. Anfangs glaubte – hoffte – er,
Leutnant Klameth oder Zarli Hofer komme ihm zu
Hilfe. Aber dann erkannte er die Umrisse eines Mannes im Mönchsgewand, der hinter einem Mauervorsprung in Deckung ging und mit einer langläufigen
Waffe auf ihn anlegte.
    Kübler schoß zuerst, und seine Kugel riß ein Stück
aus dem alten Mauerwerk. Der Mönch dahinter zog
den Kopf ein. Kübler nutzte die Atempause, um sich
über den nassen Boden zu rollen. Er wollte eine neue
Stellung einnehmen, bevor der Feind ihn umzingeln
konnte.
    Während er noch in Bewegung war, entdeckte er
einen weiteren Mönch, der sich hinter den Mercedes
geschlichen hatte.
    Der sprang jetzt auf, zielte mit einer automatischen
Pistole auf ihn und drückte zwei-, dreimal kurz hintereinander ab. Schlamm spritzte dicht vor dem Gesicht des Schweizers auf, und dann durchfuhr ein
brennender Schmerz seine Schulter. Wütend antwortete er mit einem ganzen Feuerstoß, bis das Magazin
leergeschossen war. Die Scheiben des Geländewagens
barsten, und der Mönch wurde von Kugeln durchsiebt. Die Wucht des Aufpralls schleuderte ihn nach
hinten, und er fiel mit ausgestreckten Gliedern in den
Schmutz.
    Kübler hatte keine Zeit, sich über den Erfolg zu
freuen. Der Mönch mit dem Kleinkalibergewehr, offenbar nur verwundet, stand wieder in der Tür des
Haupthauses und eröffnete das Feuer. Fast gleichzeitig feuerte auch der Mönch hinter dem Mauervorsprung auf Kübler. Die Geschosse rissen den Boden
rings um ihn auf. Er sprang hoch und lief, in geduckter Haltung und Haken schlagend, zum Rand des
Bergplateaus.
    Geröll löste sich unter seinen Sohlen, und er glitt
aus. Er fiel über den Rand und mußte das Sturmgewehr loslassen, um sich an einem vorspringenden
Stein festhalten zu können. Die Waffe fiel in die Tiefe
und zerschellte ungefähr zwanzig Meter unter ihm am
harten Fels.
    Kübler sammelte alle ihm verbliebenen Kräfte, um
sich wieder hochzuziehen. Da sah er mehrere Mönche, alle bewaffnet, durch den Regen auf sich zukommen. Bevor sie ihn erreichten, lösten sich seine Finger
von dem nassen, glitschigen Stein, und er stürzte den
Berghang hinab.
    Tommasio blickte sich unwirsch um, als draußen
auf dem Gang hastige Schritte ertönten. Er hob die Pistole und zielte auf die offene Tür des Krankenzimmers, in dem Papst Lucius um das Leben seines Sohns
kämpfte. Ambrosio legte das Sturmgewehr an und
war ebenfalls bereit, jeden Feind niederzustrecken, der
sich zeigte. Aber in der Türöffnung erschien die gedrungene Gestalt Giuseppes, dessen Kutte naß und
verdreckt war und der aus einer Wunde am Kopf blutete.
    Dennoch lag ein zufriedener Ausdruck auf seinem
runden Gesicht, als er verkündete: »Der dritte
Schweizer ist auch hin. Wir haben nichts mehr zu befürchten.«
    Tommasio ließ die Pistole sinken.
»Gut. Sowie es Enrico etwas bessergeht, verlassen
wir das Kloster. Bald ist die Stunde gekommen, in der
wir das Engelsfeuer entfachen werden!«
32
Rom

L
    eichter Nieselregen fiel auf die Ruinen von
Sant’Anna, und ein kalter Nachtwind ließ Elena
frösteln. Sie hockte auf einem herausgebrochenen
Mauerstück in jenem Raum, in dem vor weniger als
achtundvierzig Stunden Monsignore Rosario Picardi
ermordet worden war.
    Jetzt, da sie hier in Dunkelheit und Kälte saß und
wartete, verfluchte sie sich dafür, daß sie sich auf das
verrückte Unternehmen eingelassen hatte. Sie hätte,
wenn schon nicht an sich selbst, dann an das Kind
denken sollen, das in ihr heranwuchs. Aber sie war
mit Leib und Seele Journalistin, und sie hatte ein starkes persönliches Interesse, die Wahrheit in dieser Sache herauszufinden. Ihre Hand glitt an die rechte Außentasche ihrer schwarzen

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