Engelsgesang
Hoffentlich kniff er nicht. Sie hatte das Gefühl, dass dieser Angel schüchtern war. Sie würde bei ihm vorsichtiger vorgehen müssen als sonst. Bei diesem Gedanken grinste sie. Sie war sonst eher schnell. Sie sagte frei heraus, was sie wollte. Die meisten Typen standen darauf. Mal sehen, ob sie ihre Taktik heute etwas ändern musste … Auf jeden Fall wollte sie ihn nicht verschrecken. Er war wirklich süß gewesen …
Sie ließ ihren Blick über die Menschenmenge schweifen. Da … da war er. Mit dem schwarzen Mantel und den blonden Locken stach er aus der Menge hervor – und … er war wirklich Zucker. Seine Hände hatte er in den Manteltaschen vergraben, zog sie aber hervor, als er sie auf sich zukommen sah. Er kam ihr sogar ein paar Schritte entgegen.
„Angel?“, fragte sie und lächelte ihn an.
„Ja. Und du bist … Biggi? Ich hätte dich fast nicht wieder erkannt.“
„Kein Wunder“, sie sah an ihrem zerfetzten Punkoutfit herunter. „Jetzt hab ich mehr an als am Fluss, oder?“
„Das könnte man beinah so sagen.“
„Du bist aber auch nicht besser“, lachte Biggi und wies auf den zerrissenen Ausschnitt von Ángels T-Shirt. „Ich glaub, wir passen optisch sehr gut zusammen.“ Damit griff sie ihm ungeniert in das Haar und zerzauste es. „Perfekt“, bemerkte sie leichthin. Als Ángel sie erschrocken ansah, lächelte sie nur, fasste ihn am Arm und zog ihn zu den Kassen.
„Ich freu mich, dass du heute Zeit hattest. Sag mal, was tust du eigentlich so den ganzen Tag?“, begann sie das Gespräch.
„Zurzeit bemühe ich mich um ein Stipendium. Die vergangene Woche habe ich mit Stimmtraining, Noten- und Rhythmuslehre zugebracht.“
„Klingt ja übelst trocken“, bemerkte Biggi.
„Na ja, ich muss lernen und meine Stimme trainieren, wenn ich beim Studium angenommen werden will.“
„Aha, du singst?“
„Ja, so ungefähr … ich versuche es“, antwortete Ángel lachend.
„Wenn du’s nur versuchst, kannst du dein Stipendium jetzt schon abhaken.“
„Ich glaub, so schlimm ist’s auch wieder nicht. Ein Musikprofessor hat mich unter seine Fittiche genommen. Wenn ich mich nicht zu blöd anstelle, müsste es was werden.“
„Na, da wünsch ich dir viel Glück, vielleicht hör ich dich ja mal irgendwo. Ich wäre garantiert dein größter Fan.“
„Ich nehm’ dich beim Wort. Wenn man auf einer Bühne steht, sind Groupies nämlich unerlässlich.“ Er zwinkerte Biggi zu.
Sie machten sich auf den Weg zum Kinosaal. Das Licht war bereits abgedunkelt und die Werbung lief. Trotzdem war der Saal nur zu einem Drittel besetzt. Biggi hatte Karten in der zweiten Reihe gekauft, so dass sie den vorderen Teil des Saals für sich allein hatten. Kaum, dass sie saßen, wurde es dunkel und der Spielfilm begann. Biggi lehnte sich zu ihm herüber, so dass ihre weiche Brust seinen Oberarm berührte. „Falls du in der Dunkelheit Angst bekommst, Angel, sag mir Bescheid, ich beschütze dich.“ Ihre Stimme klang wie das Schnurren einer Katze.
„Danke, jetzt fühle ich mich gleich viel sicherer.“
„Ich tu, was ich kann …“, flüsterte sie und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.
Ángel versuchte sich auf die Handlung des Films zu konzentrieren, in dem drei Mädchen in einer Mexico-Bar feierten und von einem zwielichtigen Typen, der sich Stuntman Mike nannte, beobachtet wurden.
Biggis Hand berührte seine Oberarm und lenkte seine Aufmerksamkeit von dem witzigen Wortgefecht ab, das sich gerade auf der Leinwand abspielte. Als eine der Hauptpersonen einen heißen Lapdance hinlegte, begannen Biggis Finger seinen Körper herunterzuwandern. Erst als ihre Hand den Reißverschluss seiner Hose erreichte, hielt sie inne. „Ich mag Männer, die die Initiative den Frauen überlassen“, flüsterte Biggi.
Ihr Atem bewegte sein Haar und kitzelte seine Haut am Hals. Ángel erstarrte. Was tat sie da? Und vor allem, was sollte er tun? Die Bewegung ihrer Hand über die Wölbung seiner Jeans irritierte ihn, erregte ihn aber gleichermaßen.
„Lass mich machen.“ Biggis Gesicht so nah an seinem … Sie strich sein Haar zurück und küsste die empfindsame Stelle hinter seinem Ohr. Ángel seufzte leise, schloss die Augen und ließ seinen Kopf entspannt nach hinten sinken.
Auf der Leinwand wurde es turbulent. Reifen quietschten, Menschen schrieen, doch Ángel nahm das alles nicht mehr wahr. Er erfuhr das erste Mal in seinem Leben einen Höhepunkt, durch die Hand eines Mädchens. Und in diesem Moment machte er sich
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