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Engelsgesang

Engelsgesang

Titel: Engelsgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.A. Urban
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da die Menschen vor ihm aufgestanden waren.
    Auch Valerie war aufgestanden und sah auf ihn herab. „Und? Hat sich die Überraschung gelohnt?“, fragte sie, während sie klatschte.

19.
    19.
     
    Ein warmer Föhn strich durch die Straßen Münchens. Wolfgang und Ángel waren auf dem Weg nach Hause. Beide waren aufgekratzt und redeten ununterbrochen über die erfolgreiche Veranstaltung. Dass Ángel stehende Ovationen ernten würde, hatte Wolfgang nicht überrascht.
    „Ich bin so stolz auf dich, Angel“, sagte er, während er beim Laufen mit den Armen gestikulierte. „Mein Freund Ralf hat sich wegen seiner anfänglichen Zweifel sogar bei mir entschuldigt. Er hatte doch wirklich gesagt, dass ich übertreibe und es so jemand wie dich nicht geben kann.“
    „Du meinst diesen Dr. Endele? Weißt du, dass er mir eingeredet hat, ich müsse unbedingt Privatstunden nehmen. Er würde mich sogar persönlich unterrichten, hat er gesagt, und das mit dem Honorar würde man auch irgendwie regeln können.“
    „Das hat er gesagt?“ Wolfgang horchte auf.
    „Ja, was er damit meinte, weiß ich aber nicht. Er hat irgendwas von einem Stipendium erwähnt.“
    „Da hast du einen echten Glücksgriff gelandet“, freute sich Wolfgang. „Lass dir das nur nicht durch die Lappen gehen. Ralf kann dir einen Weg ebnen, der sonst sehr steinig werden könnte.“
    Eine Weile gingen sie stumm nebeneinander her, jeder in seine Gedanken vertieft.
    Ángel dachte an die andere Überraschung, die ihm dieser Abend noch beschert hatte: Professor Jugan war in Begleitung eines jungen Mannes erschienen, der Ángel im ersten Augenblick einen Angstschauer über den Rücken gejagt hatte. Düster und schwarz hatte er zwischen den bunt gekleideten Zuschauern gesessen und ihn unverwandt angestarrt. Als Ángel später einen Moment allein stand, war dieser auf ihn zugekommen und hatte mit einem überraschend freundlichen Small Talk angefangen.
    „Hi, ich bin Martin. Wir kennen uns ja schon flüchtig.“ Ein entschuldigendes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. „Ich stehe eigentlich nicht auf klassische Musik, aber ich muss sagen, du singst wirklich gut. Ungewöhnlich, aber gut.“
    „Danke“, war das einzige, was Ángel darauf spontan sagen konnte. Er war zu überrascht gewesen, um in einem ganzen Satz zu antworten, ganz zu schweigen, etwas Intelligentes oder Witziges hervorzubringen. Im Nachhinein verfluchte er sich dafür.
    „Ich wollte dir außerdem sagen …“ Martin schien sich vor Verlegenheit zu winden, „dass ich das, was ich bei unserem letzten Treffen gesagt habe, nicht so gemeint habe. Du weißt schon …“
    „Schon okay.“
    „Nein, das ist es nicht … es tut mir wirklich leid. Ich hatte einfach überreagiert. Ich würde mich gern noch mal richtig bei dir entschuldigen und dir vielleicht mal einen ausgeben … ich bin jeden Freitag im Bunker. Kennst du den? Das ist ein Rockclub in der Friedenstraße. Vielleicht magst du mal vorbeischauen?“
    Ángel nickte, wurde dann aber von Wolfgang zur Seite gezogen und in ein Gespräch mit einem älteren Ehepaar verwickelt. Er warf noch einen letzten Blick auf Martins dunkle Gestalt mit dem schmalen weißen Gesicht und spürte ein seltsames Bedauern in sich hochsteigen. Er hätte sich lieber weiter mit Martin unterhalten. Doch das ließen die anderen Gäste nicht zu. Er wurde mit Fragen überhäuft, die er noch nicht einmal im Ansatz beantworten konnte.
    Wo hatte er so singen gelernt?
    Wer war sein Lehrer?
    Seit wann sang er diese Art von Musik?
    Als er sich wieder umdrehte, war weder von Valerie Jugan noch von Martin etwas zu sehen.
     
    „Wenigstens habe ich jetzt keine Prügel mehr zu befürchten“, lachte er auf. Seine Stimme hallte in den leeren Straßen wieder.
    „Wieso?“, fragte Wolfgang verdutzt.
    „Nun ja, der Grufti war heute Abend da und hat gesagt, dass es ihm gefallen hat, wie ich singe.“
    „Na, siehst du. Hast dir umsonst Sorgen gemacht. Manchmal regeln sich Dinge von allein. Davon war ich sowieso die ganze Zeit überzeugt. Und weißt du auch warum?“
    Ángel schüttelte den Kopf.
    „Weil er ein Grufti ist und kein Metaller. Kennst du den Unterschied zwischen denen?“
    Wieder schüttelte Ángel den Kopf.
    „Wenn man einem Metaller eine reinhaut, schlägt er zurück. Ein Grufti aber rennt weinend nach Hause und schreibt ein Gedicht drüber.“
    Wolfgang wartete, dass Ángel über den Witz lachen würde, doch er sagte nur: „Ich glaube nicht, dass Martin Gedichte schreibt.

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