Engelsgesicht
es!«
»Genau«, sagte Suko. »Und herzliche Grüße von Ihrer Chat-Freundin Shao.«
»Das ist ja wunderbar. Kommen Sie, setzen Sie sich.« Gitta sprach schnell und mit einem harten Akzent. Ein Zeichen dafür, dass sie aus den südlichen Regionen Europas stammte. Ich tippte auf Italien. »Zu essen werden Sie auch bekommen. Setzen Sie sich. Ich bringe Ihnen zunächst eine große Flasche Wasser.«
»Danke.«
Wir nahmen Platz, Gitta verschwand und Suko grinste mir zu wie damals Stan Laurel dem Oliver Hardy, wenn dem guten Stan mal ein Coup gelungen war.
»Hier kann man es aushalten«, lobte ich.
»Das wusste ich.«
Es war ein friedlicher Ort und verschönt durch die späte Morgensonne. Zu viele Fahrzeuge waren auch nicht unterwegs. Wir saßen so, dass wir auf gegenüberliegende Häuser blicken konnten, die allesamt dicht beisammen standen. Geschäfte, wie eine Metzgerei, ein Bäckerladen und eine Apotheke waren zu sehen, und es gab auch genügend Passanten auf den Gehsteigen.
Das Wasser war wunderbar kühl, hatte nicht zu viel Kohlensäure und erfrischte. Dann tischte Gitta auf. Es gab italienische Wurst – Mortadella und Salami –, es gab auch Brot und sogar noch Kuchen. Da hätte mehr als die doppelte Anzahl von Personen satt werden können.
»Wollen Sie uns mästen, Gitta?«, fragte ich.
»Shao meinte, dass Sie hungrig sein werden.«
»Damit hat sie bestimmt an Suko gedacht und nicht an mich. Aber wenn ich das so sehe, wird es mir ebenfalls schmecken.«
»Dachte ich mir.«
Gitta blieb an unserem Tisch sitzen. Ich war für sie nicht so interessant. Sie unterhielt sich lieber mit Suko, wobei dann Shao das Thema der beiden war.
Manchmal bekommt man beim Essen Hunger. So erging es mir, und die Wurst war wirklich köstlich. Auch der Kaffee schmeckte ausgezeichnet, und ich erfuhr auch, dass Gitta irgendwann nach London kommen wollte, um ihre Internet-Freundin zu besuchen.
So locker wie Gitta sprach, war sie nicht. Ich hatte das Gefühl, dass ihr noch etwas auf dem Herzen brannte, aber sie konnte es nicht länger für sich behalten.
»Sie sind ja Polizisten«, sagte sie. »Oder ist das...«
»Das sind wir schon.« Suko lächelte. »Auch wenn wir nicht so aussehen wie die aus dem Fernsehen.«
»Das hat Shao auch gesagt. Urlaub wollen Sie hier ja auch nicht machen, denke ich.«
»So ist es.«
»Es geht um die toten Frauen aus Wingmore, nicht?« Die Stimme der Frau hatte jeden fröhlichen Klang verloren. Sie schüttelte den Kopf. »Es ist unbegreiflich und schrecklich, dass so etwas überhaupt hat passieren können.«
Suko gab ihr Recht. »Manchmal bekommt die Welt eben einen Riss. Dann schlägt das wahre Leben zu.«
»Und Sie wollen die Täter fassen?«, fragte sie.
»Wir werden es versuchen«, sagte ich.
»Das haben die anderen auch nicht geschafft. Ich denke, dass es verdammt schwer sein wird, Mr. Sinclair.«
Die letzte Antwort der Frau hatte mich misstrauisch gemacht. »Hört sich an, als wüssten Sie mehr?«
»Nein.«
Die Antwort war mir zu schnell gekommen. »Bitte, Gitta, wir sind für jeden Hinweis dankbar. Auch für Gerüchte. Oft sind darin Spuren verborgen, die ans Ziel führen. Das haben wir nicht zum ersten Mal erlebt. Elham ist nur ein paar Meilen von Wingmore entfernt. Man wird sich hier auch die entsprechenden Gedanken gemacht haben.«
»Worauf Sie sich verlassen können!«
»Und? Was...«
»Mr. Sinclair«, sagte sie. »Ich kann hier nichts in die Welt setzen, für das ich keine Beweise habe. Ich möchte auch nicht, dass Sie mich auf meine Aussagen festnageln, aber ich sage Ihnen unter allen Vorbehalten, dass hier schon seltsame Dinge passiert sind.«
»Sie meinen hier im Ort?«
Gitta nickte gewichtig. Um Suko kümmerte sie sich nicht, der endlich dazu kam, sein zweites Frühstück einzunehmen. »Es hängt mit den Veränderungen einiger Personen zusammen, die sowohl in Elham als auch in Wingmore wohnen. Dabei geht es immer um junge Frauen. Also um Frauen, die so jung waren wie die beiden Ermordeten. Ich selbst habe keine Tochter in dem Alter, doch ich habe von anderen Müttern gehört, dass diese Töchter sich veränderten.«
»Wie machte sich das bemerkbar?«
»Sie hielten nicht mehr die Familie aufrecht. Hört sich komisch an, ist aber so. Natürlich sind sie in dem Alter erwachsen, aber sie gingen ihre eigenen Wege. Nur junge Frauen, keine Männer. Das schien, als hätten sie sich zu einem Bund zusammengeschlossen.«
»Können Sie das genauer
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