Engelsgesicht
schützenden Decke war auf dem Kopf eine Platzwunde entstanden. Die konnte er locker verkraften.
Nachdenklich schaute Silvia auf die reglose Gestalt nieder. »Du weißt viel. Eigentlich schon zu viel. Und Diana ist eine verdammte Verräterin, die unsere Sache in den Schmutz gezogen hat. Auch sie wird bestraft werden müssen.«
In der Nacht war es nicht mehr möglich. Sie musste bis zum anderen Morgen abwarten und vor allen Dingen hören, was Lisa, das Engelsgesicht, zu alldem sagte. Erst dann konnte eine Entscheidung getroffen werden. Aber günstig sah es für den Pfarrer nicht aus...
***
Suko und ich hatten uns sehr früh auf den Weg gemacht. Die Strecke war nicht unbedingt weit, aber wir konnten dabei nicht nur auf dem Motorway bleiben und mussten quer durch das Gelände, und da konnte man eben nicht so schnell fahren.
Wingmore war ein Kaff. Zumindest auf der Karte. Wir waren auf die M20 gefahren und näherten uns dem Ziel von Süden. Trotz des schönen Wetters waren nicht zu viele Touristen unterwegs. Es gab genügend Platz auf der Autobahn, und wir konnten uns während der Fahrt die Provinz Kent ansehen.
Sie war irgendwie etwas Besonderes. Irgendwie verwunschen, aber nicht bedrückend wie in Cornwall oder anderen Provinzen. Der Raps leuchtete in strahlendem Gelb, auf den Wiesen grüßten die Blumen, und auch die Bäume hatten ihr Kleid inzwischen erhalten.
In den Hecken schimmerten die Buschrosen, die ebenfalls schon in voller Blüte standen. Eigentlich viel zu früh, aber das warme Wetter hatte dafür gesorgt.
Wir waren eigentlich recht schweigsam gewesen, und Suko hatte sogar ein wenig geschlafen, während ich gefahren war, aber mit seiner Bemerkung überraschte er mich trotzdem.
»Irgendwie habe ich Hunger, John.«
»Ach. Hast du nichts zum Frühstück bekommen?«
»Doch, aber das ist lange her.«
»Lange dauert es nicht mehr.«
»Halte trotzdem vorher an.«
Wir waren auf keinen besonderen Zeitpunkt fixiert. So suchten wir nach einem Ort, in dem es auch ein nettes Lokal gab, wo wir etwas essen konnten.
Suko schaute auf der Karte nach und sprach den Namen Elham leise aus.
»He, da sind wir doch bald da. Daran erinnere ich mich. Das ist der letzte Ort vor Wingmore.«
»Ist er!«
»Dann können wir auch weiterfahren.«
»Okay, bis dahin halte ich es aus.«
Ich schielte ihn von der Seite her an. »Oder hattest du einen bestimmten Grund, in Elham zu stoppen?«
»Nein, eigentlich nicht.«
»Soll ich dir das glauben?«
Suko wand sich. Er grinste schief. »Als ich mit Shao über unsere Fahrt sprach, erklärte sie mir, dass in Elham jemand lebt, den sie aus dem Internet kennt. Eine Bekannte, die ein Lokal führt. Ich dachte mir, dass wir dort einmal halten.«
»Weiß sie schon Bescheid?«
Er nickte etwas verschämt. »Ich glaube, sie hat eine E-Mail erhalten. Shao wollte auch den Grund unseres Besuchs andeuten.«
»Daher weht also der Wind. Okay, dann werden wir die Lady mal suchen. Wie heißt sie?«
»Gitta.«
Ich lachte. »Ist das alles?«
»So nennt sich das Bistro. Es liegt übrigens in der Ortsmitte und müsste leicht zu finden sein.«
»Na dann suchen wir mal.«
Aus den blühenden Rapsfeldern hervor wuchs in den nächsten Minuten Elham hervor. Ein kleiner malerischer Ort, eingebettet in eine sanfte Hügellandschaft, über der der seidig blaue Himmel so schwerelos zu schweben schien.
Der Mittag war noch nicht angebrochen. Die Sonne stand nicht zu hoch, aber sie vergoldete bereits die kleinen Häuser und fing sich in manch blanken Fensterscheiben.
Gittas Bistro gab es tatsächlich. Es lag auch in der Ortsmitte, wo wir zwar keinen Marktplatz entdeckten, sich die Straße aber verbreitete, sodass wir auch parken konnten.
»Zufrieden?«, fragte ich beim Aussteigen und schaute Suko an.
»Sehr sogar.«
Er ging vor. Das Lokal, mehr ein modernes Bistro, war in einem alten Haus untergebracht. Modern allerdings waren die beiden Tische mit den acht Stühlen, die vor dem Bistro standen und von zwei Sonnenschirmen geschützt wurden. An den Rändern der Schirme flatterten kleine Wimpel im leichten Wind, und eine dunkelhaarige Frau war damit beschäftigt, die Tische abzuwischen.
Sie war älter als Shao und ziemlich gut beieinander. Bekleidet war sie mit einer hellen Bluse und einem schwarzen Rock, der kräftige Waden freiließ.
Als die Frau unsere Schritte hörte und die Schatten über einen Tisch fielen, drehte sie sich um. Ein kurzes Stutzen nur, dann ein breites Lächeln.
»Sie sind
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