Engelsgesicht
Schmunzeln.
»Aber sie kennen Lisa Barton?«, fragte Suko.
Mit beiden Händen winkte die Frau ab. »Bitte, nageln Sie mich da nicht fest. Ich kenne sie nicht. Ich habe sie nur gesehen, ich habe auch mit ihr gesprochen, aber kennen ist einfach zu viel gesagt. Außerdem ist sie mir nicht sympathisch.«
»Warum nicht?«
»Tja – Suko, warum nicht? Das ist nun mal so mit uns Menschen. Man sieht sich. Dann stimmt die Chemie entweder oder sie stimmt nicht. Bei uns war sie nicht vorhanden. Außerdem ist sie eine Frau, die wohl jüngere Menschen beeindrucken kann, aber keine, die mit beiden Beinen im Leben steht. Sie ist einfach zu glatt, verstehen Sie?«
»Eine Geschäftsfrau«, sagte ich. »Immer sehr freundlich und so...«
»Das ist es nicht, Mr. Sinclair. Ich denke mehr an ihr Aussehen. Sie ist zu glatt. Sie sieht für ihr Alter zu jung aus, viel zu jung, und das ist einmal anders gewesen, als sie nach Wingmore kam. Da sah man ihr das wahre Alter an.«
»Können Sie sich da festlegen?«, fragte ich.
Gitta tupfte Schweiß von der Stirn. »Schlecht, Mr. Sinclair. Sehr schlecht. Ehrlich.«
»In etwa. Sie sind eine Frau, Gitta. Sie schaffen das.«
»Ha, ha, hören Sie mit den faden Komplimenten auf. Ich denke mal so zwischen Vierzig und Fünfzig.«
»Das ist nicht alt.«
»Aber jung auch nicht mehr.«
»Und wie wirkt sie jetzt?«, fragte Suko.
Da brauchte Gitta nicht lange zu überlegen. »Um bestimmt zwanzig Jahre jünger.«
»Das ist viel.«
»Sage ich auch, Suko, und ich behaupte weiterhin, dass dies nichts mit den normalen Mittelchen und Pasten zu tun hat, die man in solchen Läden kaufen kann.« Sie hatte bisher normal gesprochen, aber jetzt senkte sie ihre Stimme. »Für mich geht das schon nicht mehr mit rechten Dingen zu. So ehrlich bin ich.«
»Dann haben Sie sich schon Gedanken über den Fall gemacht, wie wir hören.«
»Das ist normal.«
»Und die jungen Frauen hatten nichts anderes zu tun, als in den Laden zu stürmen.«
»Sie waren oder sind ihre besten Kundinnen. Verzückt von der Schönheit. Aber zwei von ihnen sind tot. Als wir das hörten, da verfielen wir in eine regelrechte Agonie. Wir können nur von Glück sagen, dass nichts an die Presse gedrungen ist. Da haben die Leute vom Land und die Polizisten schon zusammengehalten.«
Ich gab ihr durch mein Nicken Recht. Nach einem Schluck Kaffee fragte ich: »Sie trauen dieser Lisa also nicht, wenn ich das richtig sehe, Gitta.«
»So und nicht anders ist es. Ich traue ihr nicht über den Weg. Die hat was vor. Die ist auch nicht normal. Wer richtet sich schon ein Geschäft mit der Schönheit in einem Foltermuseum ein, auch wenn das durch einen anderen Eingang zu erreichen ist. Ich jedenfalls würde das nicht tun. Um kein Geld der Welt.«
Sie hatte gesprochen, und für uns sollte es auch so etwas wie ein Abschluss sein, doch es passierte etwas, das unseren Abschied noch hinausschob. Zuerst bildete sich auf Gittas Stirn eine steile Falte. Wir waren nicht mehr interessant für sie, denn sie schaute an uns vorbei auf die Straße, als gäbe es dort etwas Besonderes zu sehen.
Da wir nicht eben blind waren, richteten wir unsere Blicke ebenfalls dorthin. »Was haben Sie?«, fragte Suko.
Gitta hob den rechten Arm etwas an. »Die junge Frau dort, die ihr Rad schiebt.«
»Und?«
Um ihre Lippen zuckte ein dünnes Lächeln. »Das ist Susan Fenner.«
»Aha.«
Gitta nickte. »Sie werden mit dem Namen wenig anfangen können, ich um so mehr. Susan hat zu den jungen Frauen gehört, die sich mal bei mir trafen und so begeistert von der Schönheit waren.«
Wir waren zwar nicht alarmiert, aber hellwach. Ich fragte: »Könnte sie herkommen?«
»Ich kann es versuchen.«
Gitta beließ es nicht bei den Worten. Sie stand auf und lief hinter meinem Stuhl her. Die Straße hatte sie noch nicht betreten, als sie Susan zuwinkte, die zufällig in unsere Richtung schaute und daher sofort wusste, wer gemeint war.
»Komm doch mal her, Susan.«
Sie zögerte noch. »Warum denn?«
»Ich will dich nur etwas fragen.«
Die junge Frau mit den blonden Haaren, den hellblauen Caprihosen und dem grauen Shirt schaute kurz auf ihre Uhr, hob dann die Schultern und setzte sich in Bewegung. Das Rad schob sie neben sich her. Als sie den Bordstein erreicht hatte, kickte sie den Ständer an der Seite aus.
»Was ist denn?«
»Die beiden Herren hier sind Freunde von mir und hätten mal an dich eine Frage.«
Es war wohl die falsche Ansprache gewesen, denn Susan zeigte sich stur.
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