Engelsgesicht
ich.
»Das weiß ich nicht«, sagte er. »Den Namen höre ich wirklich zum ersten Mal.« Er räusperte sich. »Irgendwo trifft er auch zu, wenn man den Aussagen der Frauen glauben darf. Sie sind nicht neidisch, zumindest nicht offen. Sie wundern sich nur darüber, wie es diese Lisa geschafft hat, so auszusehen und das Aussehen auch zu halten. Das ist schon ein kleines Phänomen.«
»Woher wissen Sie das alles?«
»Von meiner Frau, als sie noch hier bei mir war. Sie war von Lisa Barton ebenfalls angetan.«
»Wurde denn nie gefragt, wie sie das geschafft hat?«
Der Pfarrer schaute uns erstaunt an, bevor er auflachte. »Und ob man sie gefragt hat. Darin schließe ich meine Frau ein. Aber die Barton hat ihren Mund gehalten. Sie hat geschwiegen. Die hätte sich eher die Zunge abgebissen. Etwas hat sie trotzdem rausgelassen«, er lachte kratzig. »Sie hat erzählt, dass sie irgendwann einmal ihr Geheimnis lüften würde. Und dann wäre die Überraschung bei allen Menschen hier in Wingmore riesengroß.«
Ja, das konnten wir uns vorstellen. Eine gewaltige Überraschung, die auch etwas mit dem Blut zu tun hatte, das den Menschen so brutal abgenommen wurde.
»Mehr weiß ich nicht.«
»Danke, das ist schon genug«, sagte ich.
Suko war noch nicht fertig. »Und es stimmt, dass wir ihr Geschäft in einem Haus finden, in dem auch ein Foltermuseum untergebracht ist?«
»Ja.«
»Warum?«
»Es ließ sich nicht vermeiden. Es war nur dieser eine Laden frei. Früher war dort eine Metzgerei untergebracht worden, aber die Besitzer sind Pleite gegangen.«
»Danke für die Auskünfte.«
Lintock legte seine Hände und auch die Arme auf den Schreibtisch. »Was werden Sie jetzt tun? Was haben Sie vor?«
»Wir werden uns auch weiterhin um die Dinge kümmern, Mr. Lintock. Auch um Ihre Tochter.«
Als ich sie erwähnte, zuckte er zusammen. Er hatte Mühe, Tränen zu unterdrücken. »Glauben Sie nicht, dass es bereits zu spät ist und ich sie verloren geben muss wie meine Frau?«
»Man muss immer alles versuchen. Für Silvia und auch für die anderen Frauen.«
»Ja, ja«, murmelte er. »Aber ich hätte es wohl nicht geschafft, denke ich. Nein, das hätte ich nicht.«
»Was auch nicht Ihre Aufgabe ist, Mr. Lintock, denn um solche Dinge kümmern wir uns.«
»Ja.« Er nickte und putzte dann seine Nase.
Für uns gab es nicht mehr viel zu besprechen. Wir ließen uns noch erklären, wo wir das Haus finden konnten, dann verabschiedeten wir uns von Cliff Lintock, der versprach, für sein Tochter und uns zu beten...
***
Das Geschäft war klein. Es war in einem alten Haus untergebracht. Es war auch relativ dunkel zwischen den mit gefüllten Regalen bedeckten Wänden. Dieser Kosmetikladen zeigte nicht die Helligkeit und kühle Eleganz wie die gestylten Geschäfte in den großen Städten. Hier sah alles sehr kleinbürgerlich und auch miefig aus, was zu dem gesamten Eckhaus passte.
Es war schon sehr alt. Auch etwas schief, und das Museum konnte durch einen Seiteneingang betreten werden. In der kalten Jahreszeit war es geschlossen. Es wurde nur von Juni bis September geöffnet. Bis zu diesem Termin war noch etwas Zeit.
Es gab schon Touristen, die sich dann hier nach Wingmore verirrten. Zumeist waren es Jugendliche, die das Museum besuchten, um mal den alten Schrecken zu erleben, denn hier war es anders als im London Dungeon, wo die Szenen der blutigen Geschichte Großbritanniens hautnah und mit Akteuren erlebt werden können.
Im Foltermuseum waren nur die Instrumente ausgestellt, die man damals benutzt hatte, um Menschen zu Geständnissen zu zwingen. Zudem war das Innere des Museums ausgebaut wie eine Höhle.
Auch wenn diese Höhle verrottet aussah, die Instrumente waren es nicht. Sie wurden zweimal im Jahr überholt und waren noch funktionstüchtig.
Lisa Barton hielt sich nicht allein im Laden auf. Eine Kundin war bei ihr, die sich beraten lassen wollte. Sie hatte den Weg bereits zum dritten Mal in das Geschäft gefunden und konnte sich auch jetzt nicht entscheiden. Sie stand auf Gesundheitstees, die hier auch verkauft wurden, und sie musste immer wieder den Blick auf das Gesicht der Inhaberin richten.
»Habe ich etwas an mir?«, fragte Lisa. Sie lächelte schon im Voraus, weil sie genau wusste, was kommen würde.
»Nein, Lisa, Sie haben nichts an sich. Oder doch. Die... die zeitlose Schönheit.«
»Oh – danke.«
»Und so möchte ich auch werden. In zwei Jahren bin ich vierzig. Wenn ich in den Spiegel schaue, dann...«
»Ah, da
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