Engelsgesicht
um Blut abzuzapfen als ein Foltermuseum, das geschlossen ist? Es ist doch toll. Da gibt es die richtige Atmosphäre. Es ist alles passend. Ich glaube bestimmt, dass es vom Laden her oder von einem der hinteren Räume, die sicherlich auch vorhanden sind, einen Zugang zu den Räumen des Foltermuseums gibt.«
»Gut gedacht«, lobte mich Suko. »Und den Zugang sollen wir finden.«
»Nicht unbedingt.«
»Wieso das nicht?«
»Es gibt auch einen Eingang zum Museum.«
»Gratuliere, John. Den habe ich auch schon gesehen. Willst du die Tür aufbrechen?«
»Nein. Ich hole mir einen Schlüssel.«
Jetzt hatte ich Suko sprachlos gemacht. Das wiederum zeigte mir, dass er das kleine Schild an der rechten Türseite nicht gelesen hatte. Es war möglich, eine Führung auch außerhalb der Öffnungszeiten zu bekommen. Da musste man sich nur an einen gewissen Dick Potter wenden, der wohl in der Nähe wohnte. Seine Adresse jedenfalls stand auf dem Schild.
Suko ärgerte sich, dass er diese Information übersehen hatte. Ich tröstete ihn. »Wir sind eben nicht so perfekt wie eine gewisse Lisa Barton.«
»Aber auf eine andere Art und Weise schon.«
»Meinst du?«
»Lass uns gehen, Suko. Ich habe das Gefühl, keine Zeit mehr verlieren zu dürfen...«
***
Natürlich war Lisa Barton vorausgegangen. Silvia Lintock ging direkt hinter ihr. Sie spürte plötzlich eine schmale Hand an ihrer. Als sie den Kopf drehte, sah sie das Schimmern der blauen Haarfarbe und ein ängstliches Gesicht.
»Es wird doch alles gut ablaufen?«, fragte Diana Crane mit leiser Zitterstimme.
»Bestimmt.«
»Auch für mich?«
»Ich habe dich doch nicht verraten.«
»Danke.«
Vom Laden aus war es durch eine Tür in die Privaträume der Lisa Barton gegangen. Jeder Mensch richtet sich nach seinen eigenen Bedürfnissen ein, da machte auch Lisa keine Ausnahme. Aber bei ihr war es etwas anderes. Sie lebte recht spartanisch und benötigte nicht viel. Zwei Zimmer, dazu ein Minibad mit Dusche und Toilette, das war alles. Und auch die Möbel hatte sie sparsam verteilt. Alte Stücke, die auch gut auf einem Flohmarkt hätten verkauft werden können.
Eine Wand hatte Lisa frei gelassen. Bewusst, denn dort verbarg sich der Eingang zu ihrem wahren Reich. Die gute alte Tapetentür half da mit. Man musste schon wissen, an welcher Stelle Druck ausgeübt werden musste, um die Tür zu öffnen.
Lisa kannte sich da aus. Sie legte die Hand gegen die bestimmte Stelle. Es ertönte ein leises Knacken, dann schwang die Tür wie von Geisterhand gezogen nach innen.
Aus dem Ausschnitt drang ihnen die Dunkelheit entgegen wie eine feuchte Wolldecke, in der sich ein bestimmter Geruch festgesetzt hatte. Jede der Frauen konnte ihn riechen.
Es war der Geruch nach Blut!
Keiner sagte etwas. Doch durch den Geruch erhöhte sich die Spannung bei ihnen. Keine mehr war locker. Sie standen verkrampft zusammen. Wie eine Herde Schafe, die vor einem Gewitter Schutz suchten.
Lisa Barton drehte den Kopf. »Ich gehe vor«, erklärte sie ihren Schützlingen.
Damit waren die Frauen zufrieden. Allein hätten sie sich kaum getraut, obwohl ihnen dieser Raum bekannt vorkam.
Lisa schob sich über die Schwelle und tauchte ein in die stickige Dunkelheit des Blutzimmers. Sie war jetzt nicht mehr zu sehen und nur zu hören. Sie kannte sich aus und bewegte sich mit einer traumwandlerischen Sicherheit. Sie stieß nirgendwo an, und dann flackerte plötzlich nah einem ratschenden Geräusch eine kleine Flamme auf, die auf ein Ziel zubewegt wurde und an einem Docht ihre Nahrung fand.
Die erste Kerze brannte. Sie gab noch nicht viel Licht ab. Das änderte sich, als mehrere Dochte der Reihe nach Feuer fingen und den Raum in ein unruhiges und unheimliches Licht tauchten. So hell, dass auch die Gegenstände nicht mehr verborgen blieben.
Der Spiegel, die Wanne, mehrere Gefäße ringsum, eine schmale Dusche und kleine Hocker. Über allem hing der Geruch des Blutes. Er schien in Dämpfen aus der Wanne in die Höhe zu steigen, denn ihr Boden war mit der dunklen Flüssigkeit gefüllt. Hin und wieder huschte der Reflex eines Kerzenlichts darüber hinweg, dann war plötzlich die rötliche Farbe zu sehen.
Lisa Barton blieb vor der Wanne stehen. Sie war jetzt in ihrem Element. Obwohl sich in ihrem Gesicht nichts mehr bewegte, sorgte das Wechselspiel aus Licht und Schatten schon für einen unheimlichen Ausdruck auf den Wangen und der Stirn. Das Gesicht schien ein fremdes Leben angenommen zu haben. Als sie lächelte, kam es
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