Engelsgesicht
Geist, Mr. Potter.«
Die Antwort befriedigte ihn nicht, und er drehte sich wortlos von uns weg.
Bei uns drängte mal wieder die Zeit. Irgendwie passte plötzlich alles zusammen. Der verdammte Aderlass in einer unheimlichen Atmosphäre, die wie aus der tiefen Vergangenheit aufgetaucht war, als die Folter leider zum täglichen Leben gehört hatte.
Bald standen wir wieder vor der Tür des Museums.
Für Schlösser und Schlüssel war mein Freund Suko zuständig. Er schloss auch auf und musste den Schlüssel zweimal drehen, damit die Tür geöffnet werden konnte.
Wie es sich gehörte und auch zu einem alten Verlies passte, gab sie Geräusche ab, die schon jetzt unheimlich klangen. Natürlich war das Licht nicht eingeschaltet. Wir schauten hinein in eine Welt, die mit schwarzer Watte gefüllt zu sein schien.
Kein Laut drang uns entgegen, bis auf Suko’s leise Stimme. »Das mag zwar alles hier alt sein und auch schaurig, aber Licht wird es bestimmt geben.« Er überwand die Schwelle, fuhr mit der Handfläche über die Wand an der rechten Seite und lachte leise auf, als er das Ziel gefunden hatte.
»Sogar zwei Schalter – phänomenal...«
Es gab Licht, es wurde auch heller, aber nicht so hell, wie wir es uns gewünscht hätten. Wenn wir ehrlich waren, konnten wir hier nur von einem düsteren Glosen sprechen. Nicht unbedingt rötlich wie in einer Geisterbahn, mehr fahl, aber der Eindruck blieb schon bestehen.
Das Licht verteilte sich vor uns. Ein Teil fiel auch über eine Treppe hinweg, die kurz nach dem Eingang begann. Als ich die Tür geschlossen hatte, stand Suko bereits auf der ersten Stufe der ausgetretenen Steintreppe und drehte sich zu mir hin.
»Alles okay«, sagte ich. »Du kannst gehen.«
Ich ließ ihm auch weiterhin den Vortritt. Die Stufen führten uns in die erste Etage, und genau hier eröffnete sich uns eine andere Welt, die aus der Vergangenheit hervorgeholt worden war.
Zwar gab das Licht auch in diesem Bereich seinen Schein ab. Es reichte sogar weit bis in den Hintergrund, wo eine zweite Treppe noch eine Etage höher führte, aber alles blieb in einem diffusen Halbdunkel, was genau zu dieser Atmosphäre passte.
Winzige Staubkörner tanzten im fahlen Lichtschein. Manche flirrten wie kleine Diamantsplitter. Die Luft war verbraucht. Sie kam mir stickig vor. Klar, vor der Eröffnung zur offiziellen Führung würde hier noch gelüftet und geputzt werden, aber die Erbauer hatten sich alle Mühe gegeben und auch das Innere des Hauses so aussehen lassen wie ein echtes Verlies.
Die Wände waren verkleidet, als bestünden sie aus dicken und unebenen Steinquadern. Dafür hatte eine entsprechende Kunststoffmasse gesorgt, die wirklich täuschend echt aussah. Damit arbeiteten auch die Bühnenbildner beim Film, wenn sie etwas nachbauten.
Es gab bestimmte Ecken, die durch kleine Scheinwerferstrahlen von der Decke her angeleuchtet wurden. Zum Beispiel fiel das Licht auf eine Eiserne Jungfrau, deren Metall deshalb einen bestimmten Glanz erhielt.
Es war ein widerliches Foltergerät. Sie bestand aus einer Rüstung, die innen mit zahlreichen Nägeln bestückt war. Das Gerät stand offen. Uns gelang der Blick hinein, was mir nicht ausreichte, denn ich wollte wissen, ob die Nägel echt oder nur Imitationen waren.
Sie waren fest, was ich schon beim ersten Ertasten spürte. Die Eiserne Jungfrau stand an der Seite und auch nicht weit von der zweiten Treppe entfernt. Ich hatte auch von hier einen guten Überblick und sah eine Streckbank, Daumenschrauben und eine Feuerstelle, die mich an einen Grill erinnerte. Nur lagen darauf keine Würstchen oder Steaks, sondern Instrumente, die die Menschen damals das Fürchten gelehrt hatten. Der Anblick der Zangen, mit denen den Leuten die Nägel bei lebendigem Leib ausgerissen worden waren, ließ mich erschauern.
Ich ging weiter. Von einem Holzgitter umgeben standen die Knochenbrecher, Keulen und Hämmer. Damit hatte man auf die Opfer eingeschlagen. Ich sah auch eine nachgebaute Schmiede, in denen die Folterinstrumente heiß gemacht worden waren.
Ringe, die wie Hundehalsbänder mit innen liegenden Stacheln aussahen, entdeckten wir ebenso wie Lanzen und Hellebarden. Es gab auch einen Käfig, der von der Decke herabhing. Ein viereckiger Würfel aus Eisenstäben, in den der bedauernswerte Mensch einfach hineingequetscht worden war.
Suko hatte sich die ausgestellten Folterinstrumente ebenfalls angeschaut und zugleich nach einer zweiten Tür gesucht, die eine Verbindung zwischen
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