Engelsgesicht
ein neues Zuhause gefunden.
Er steckte jetzt in ihr. Er war es, der sie so verändert hatte. Es gab diese wunderbare Seelenverwandtschaft, die kein anderer Mensch außer ihr erlebte.
Lisa Barton
War dieser Name nicht Beweis genug? Da gab es eine Verbindung zwischen dem Namen der Blutgräfin und dem ihren.
Elisabeth gleich Lisa. Barton gleich Bathory. Das war für sie der Fingerzeig des Schicksals. Elisabeth hatte sich sie ausgesucht. Eine Person wie sie war nicht zu töten.
Während das Engelsgesicht daran dachte, sank sie allmählich in die Knie, wobei sie sich noch mit den Händen an den oberen Rändern der Wanne abstützte.
Lisa fand im Blut ihren Platz!
Ihr nacktes Gesäß berührte den Boden, und sie schob sich dann langsam zurück, bis sie mit dem Rücken die obere Seite der Wanne erreichte und sie als Stütze nahm. Die noch leicht geknickten Beine streckte sie aus. Die Wanne war nicht zu lang. Sie konnte ihre Füße gegen das andere Ende stemmen.
Lisa schloss die Augen. Sie wollte sich dem Gefühl hingeben, in der langen Blutpfütze zu sitzen. Es war noch sehr wenig, aber nicht mehr lange, das stand fest. Ihre Zehen schauten wie bleiche Knochen aus der Flüssigkeit hervor, und mit seiner Höhe bedeckte das Blut soeben mal ihre Hände.
Sie bewegte die Arme. Wasser plätschert, Blut nicht. Es schwappte. Es floss auch über die Beine hinweg und lief in zittrigen Streifen an der Außenhaut entlang. Für Lisa Barton war es ein unbeschreibliches Gefühl, das sie auch mit keiner anderen Person teilen wollte. Sie brauchte diese Minuten, um ganz sie selbst zu werden oder um den Geist der Gräfin richtig aufnehmen zu können, damit sie die große Botschaft begriff.
Sie lächelte wieder. Nur die Lippen hatten sich dabei in die Breite gezogen. Ansonsten erschien keine einzige Falte an ihrem Mund. Die Haut war einfach zu straff und bereits zu künstlich, was ihr überhaupt nichts ausmachte.
Sie liebte die Umgebung. Sie liebte das Blut, und sie liebte sich selbst.
Lisa bewegte abermals die Arme. Sie zog ihre Hände aus dem Blut hervor und tat das, worauf sie schon lange gewartet hatte und das die anderen Zuschauer auch sehen wollten.
Mit dem Blut an ihren Händen strich sie durch ihr Gesicht. Es war so wunderbar, so glatt, so eben. Die rote Flüssigkeit verteilte sich auf dem Gesicht wie Schminke. Sie würde dafür sorgen, dass ihre Haut noch straffer wurde und das Leben in ein einziges Jubelfest verwandelte.
Sechs Frauen schauten ihr zu.
Die vier Sitzenden waren mit den Stühlen näher herangerückt. Nur Silvia und Gwen standen noch. Niemand störte sich an diesem dumpfen Geruch. Keinem war es peinlich und widerwärtig, dieser Person zuzuschauen, die auch weiterhin das Blut in ihrem Gesicht verteilte. Es rann daran herab. Es erreichte auch den Mund.
Lisa öffnete die Lippen und leckte es weg. Sie schluckte es hinab und stöhnte wohlig.
Dann ließ sie ihre Arme wieder sinken. Die Hände verschwanden in der roten Flüssigkeit. Lisa streckte sich noch einmal, bevor sie sich mit einer ruckartigen Bewegung hinsetzte und die angewinkelten Arme mit den Ellenbogen auf die Wannenränder legte.
»Ihr habt es gesehen«, sprach sie ihre Zuschauerinnen an. »Ihr habt alles sehen können, und ihr müsst einfach erlebt haben, wie gut es mir dabei ging.«
»Haben wir«, flüsterte Silvia.
Genau die Antwort hatte das Engelsgesicht hören wollen. »Habt ihr auch die Sehnsucht in euch gespürt?«
Alle nickten.
»Dann ist es jetzt soweit«, sagte Lisa. »Holt eure Messer hervor und gebt mir das, was mir zusteht. Wir haben oft genug darüber gesprochen. Nun sind wir am Ziel...«
Mehr brauchte sie nicht zu sagen. Jede der Frauen wusste genau, was hier zu tun war.
Fünf Hände bewegen sich. Fünf Rasiermesser wurden hervorgeholt und langsam aufgeklappt. Kleine, nicht sehr lange, aber scharfe Klingen fingen das Licht der Kerzen ein, als wären sie schmale Spiegel.
Lisa hatte zugeschaut, aber sie war nicht zufrieden. Es waren nur fünf Messer gezogen worden und keine sechs. Diana stand da und hatte die Arme ausgebreitet.
»Was ist los mit dir?«
Die Angesprochene schluckte, als hätte sie Mühe, Tränen zu unterdrücken. »Ich besitze kein Messer.«
»Was? Warum nicht?«
»Es wurde mir genommen.«
»Von wem?«
Diana schämte sich. Sie senkte den Kopf. »Es... es fällt mir schwer, aber ich... es war einer der Männer.«
»Ach!« Lisas Mund blieb offen. Wenig später fragte sie: »Das hast du dir so einfach gefallen
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