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Engelsgrab

Engelsgrab

Titel: Engelsgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Ramsay
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Morgens.
    Nur rauchen konnte Brady hier nicht mehr, denn das war seit Kurzem in allen öffentlichen Einrichtungen verboten. Dazu musste er sich hinter das Revier verziehen, wo sich auch die anderen Süchtigen in einer Nische neben dem Notausgang wie Verschwörer zusammendrängten.
    Brady deutete auf Conrads Teller. »Schmeckt es Ihnen nicht?«
    »Kein Hunger.« Conrad schob sein unangetastetes Frühstück beiseite. Schon wenn er an Essen dachte, hob sich ihm der Magen. Wie Brady nach dem Anblick der Leiche gebratenen Speck und Spiegeleier herunterbringen konnte, war ihm unbegreiflich.
    Amüsiert sah Brady ihn an. Ihm war klar, dass der Zustand der Toten Conrad an die Nieren gegangen war, ebenso wie ihm. Doch im Gegensatz zu Conrad hatte er einen großen Teil seines Lebens im Polizeidienst verbracht, sich von unten nach oben gearbeitet und auf diesem Weg mit jedem nur erdenklichen Verbrechen zu tun gehabt. Dieses junge Mordopfer war für ihn einfach nur eine weitere statistische Größe. Doch Conrad hatte ein Studium hinter sich und die unteren Ränge übersprungen. Für ihn waren brutale Morde noch immer ein zutiefst verstörendes Erlebnis.
    »Jack!«, dröhnte von hinten eine tiefe Stimme.
    Brady drehte sich um, erkannte Tom Harvey und rang sich ein schwaches Grinsen ab.
    »Wie geht’s denn so?«, fragte Harvey mit Donnerstimme und schlug ihm auf die Schulter.
    »Prima«, erwiderte Brady.
    Harvey zog einen Stuhl heran und ließ sich ächzend nieder.
    Brady schwieg. Er wusste, dass Harvey sich nicht lange mit Höflichkeitsfloskeln aufhielt. Inzwischen war er Mitte vierzig und seit so langer Zeit im Dienst, wie Brady denken konnte. Für eine Weile hatten sie auf einer Stufe gestanden, doch dann war Brady befördert worden. Ihre Freundschaft hatte das nicht getrübt. Dafür hatten sie zu viele gemeinsame Nächte Bier trinkend und über alles Mögliche redend verbracht. Abgesehen davon war Harvey kein ehrgeiziger Mann. Detective Constable zu sein reichte ihm aus, und die politischen Kungeleien in den höheren Rängen behagten ihm nicht. Mit Letzteren hatte auch Brady Probleme.
    »Hatte schon gehört, dass du wieder da bist. Mensch, Brady, konntest du dir keinen besseren Zeitpunkt aussuchen?« Harvey rieb sich das frisch rasierte Kinn und taxierte Brady. Sein Blick fiel auf Conrad, der ihn missbilligend anstarrte, als wolle er sagen, redet man so mit einem Vorgesetzten? Harvey grinste und setzte ein spöttisches »Sir« hinzu.
    Brady lachte schallend auf.
    »Was ist denn mit dir passiert, während ich weg war?«, fragte er und deutete auf Harveys dunkelgrauen Anzug und das rotbraune Hemd mit der passenden Krawatte.
    »Nur ein paar Pfunde abgenommen, das ist alles«, antwortete Harvey. »Hat in meinem Privatleben Wunder gewirkt«, fügte er zwinkernd hinzu.
    Brady lächelte in sich hinein. Noch vor einem halben Jahr hatte Harvey nie etwas anderes als Khakihosen, halb aufgeknöpfte Hemden mit aufgerollten Ärmeln und Stiefel getragen. Vielleicht hatte er ja abgenommen, aber mit Sicherheit hatte auch DCI Gates etwas mit der neuen Garderobe zu tun.
    »Dora!«, rief Harvey der stämmigen kleinen Frau zu, die den Nachbartisch sauber wischte. »Sei ein Schatz und bring mir das Übliche.«
    »Wie oft muss ich Ihnen noch sagen, dass Sie an der Kasse bestellen sollen«, fragte sie mit schwerem regionalem Akzent. Mit jedem entrüsteten Atemstoß wogten ihre üppigen Brüste.
    Harveys Augen funkelten, als er ihr neckisch zuzwinkerte.
    Dora schüttelte den Kopf und verschwand grummelnd nach hinten.
    Harvey drehte sich wieder zu Brady um. »Hast du Jimmy schon gesehen?«
    Brady setzte sich auf.
    Harvey schenkte Conrad einen Blick, der besagte, er sei hier überflüssig.
    Conrad stand auf. »Ich brauche sowieso noch eine Tasse Kaffee.«
    Harvey wartete, bis er außer Hörweite war.
    »Jimmy ist am Arsch.«
    »Kannst du vielleicht ein bisschen deutlicher werden?«
    Harvey beugte sich vor. »Ich weiß selber nichts Genaues, aber angeblich ist er am Tatort kurz neben der Spur gewesen. Er war da einer der Ersten und – verdammt! Zieht seine Jacke aus und legt sie über das Opfer. Ich meine, was um alles in der Welt ist da in ihn gefahren?«
    Das klang nicht nach Matthews, dachte Brady, denn der war einer der besten Detectives ihrer Einheit und hatte in seinem Leben schon schlimmer zugerichtete Mordopfer als die Tote draußen auf dem Bauernhof erlebt. Sicher, es kam vor, dass selbst ein erfahrener Cop mit einem Mal den Überblick verlor,

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