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Engelsgrab

Engelsgrab

Titel: Engelsgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Ramsay
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sich auf einem alten Ledersessel türmten, Bücher in Stapeln auf dem Boden oder schief in die selbst gebauten Holzregale geschoben, die an zwei Wänden standen.
    Selbst sein Büro im Revier, mit den hohen klappernden Fenstern und dem unförmigen angerosteten Heizkörper, aus dem es tropfte, war gemütlicher als sein Heim, ein dreistöckiges viktorianisches Haus mit fünf Zimmern, die so gut wie leer waren. In der Zeit, in der er im Krankenhaus lag, hatte Claudia die meisten Möbel ausgeräumt. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte sie das ganze Haus haben können, aber das hatte sie dankend abgelehnt. Dort hatte sie ihren Mann mit seiner jungen Kollegin im Bett entdeckt, sich entschieden, einen Schlussstrich zu ziehen, und angefangen zu packen. Nüchtern betrachtet, konnte Brady ihr nicht einmal einen Vorwurf machen. Sie hatten eine feste Regel gehabt, und die hieß, dass keiner die Arbeit mit nach Hause brachte.
    Wie Brady hatte auch Claudia für die Polizei von Northumbria gearbeitet. Er hatte die Aufgabe, den Abschaum hinter Gitter zu bringen, der anständigen Menschen das Leben zur Hölle machte. Claudia dagegen hatte dem Abschaum als Anwältin beigestanden, ungeachtet des Verbrechens. Darüber hinaus war sie auch als Pflichtverteidigerin tätig. Sie war eine so fähige Anwältin, dass man sie in ihrer Kanzlei in Newcastle zur Partnerin machen wollte.
    Durch ihre Arbeit hatten sie sich kennengelernt, geheiratet und sich gemeinsam allen Herausforderungen gestellt. Selbst Bradys Chef, der gefühlskalte und engstirnige DCI Gates, hatte eine Schwäche für Claudia gehabt. Aber wer auch nicht? Sie war eine auffallend schöne Frau, mit rötlicher Lockenmähne und feurigem Temperament. Trotzdem hatte Brady sie nicht wegen ihres Aussehens geheiratet. Er war von ihrem Witz und ihrer Intelligenz bezaubert gewesen. Und weil sie all das war, was er nicht war: bürgerlich, gebildet und mitfühlend. Claudia kämpfte gegen die Ungerechtigkeit, weil sie an eine zivilisierte Menschheit glaubte. Dieser Glaube war Brady fremd. Er betrachtete sich als Realist. Die Menschen waren weder gut noch gesittet. Jede andere Auffassung hielt er für ein Götzenbild, an das Idealisten glauben mochten. Doch sein Job war es, die Welt davor zu bewahren, zu dem gefährlichen und dunklen Ort zu werden, zu dem sie tendierte.
    Sein Blick fiel auf die beiden leeren Whiskygläser, die nebeneinander auf dem Marmorsims des gekachelten Kamins standen. Er entsann sich der Abende, an denen er und Claudia am Kaminfeuer Whisky getrunken und Musik gehört hatten. Über alles und jedes hatten sie in ihren Anfangszeiten diskutiert, immer mit großer Leidenschaft, ganz gleich, ob es um Politik ging oder Literatur. Bedrückt dachte er an das, was er verloren hatte. Claudia hatte ihm alles bedeutet, weitaus mehr, als ihr bewusst gewesen war.
    Leise stöhnend bückte er sich und hob seine Jacke vom Fußboden auf. Dann streifte er sie über und ging zur Tür, um festzustellen, wen Gates geschickt hatte.
    Es war Harry Conrad, der halb erfroren aussah. Wie immer war sein blondes Haar kurz und ordentlich geschnitten. Frisch rasiert war er auch. Überhaupt wirkte er wie ein Mann, der Wert auf sein Äußeres legt, denn er trug einen konservativen anthrazitgrauen Anzug, ein hellblaues Hemd und eine dunkelblaue Krawatte. Darüber einen schweren dunkelgrauen Wollmantel.
    Das war Conrad, wie er leibte und lebte: adrett, höflich, beflissen, selbst um fünf Uhr morgens. Das war der Mann, der das Zeug zu einem Detective Chief Superintendent hatte; beliebt bei seinen Vorgesetzten, diensteifrig und gehorsam. Auf diese Weise hatte man Erfolg, das hatte Brady auf die harte Tour gelernt.
    Er unterdrückte einen Fluch.
    Gates hatte ihn aus dem Bett befohlen, hinaus in die Dunkelheit und Kälte, zu einer Zeit, in der er noch außerstande war, Conrad und seinesgleichen zu verkraften.
    »Gates hat mich geschickt, Sir«, begann Conrad schließlich und schien sich unwohl zu fühlen, denn obwohl er größer als Brady war, stand er mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf vor ihm.
    Beim Anblick seines dreißigjährigen Stellvertreters kam Brady sich alt und verbraucht vor. Zwar war er ihm nur acht Jahre voraus, aber an dem Morgen spürte er ihren Altersunterschied zum ersten Mal.
    »Und warum?«, fragte er und kniff die Augen zusammen.
    Verlegen schob Conrad die Hände in die Manteltaschen.
    »Ich habe nur den Befehl, Sie abzuholen, Sir.«
    Brady schwieg.
    »Wir haben ein Mordopfer.

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