Engelsgrab
begann er. »Gehört es dir?«
Kate nickte.
Brady holte sein Zigarettenpäckchen und Feuerzeug heraus. »Darf man hier rauchen?«
Kate zuckte die Achseln und reichte ihm eine Tasse Kaffee, ehe sie die Terrassentür zum Garten aufstieß.
»Sehr hübsch.« Brady deutete auf den von Mauern umringten Garten.
»Mit der Zeit gewöhnt man sich daran.«
»Hm«, machte Brady und überlegte, ob dem so war. Selbst erfahren würde er das nie, denn er kämpfte noch mit der Hypothek auf sein Haus, erst recht, seit Claudia ihn verlassen hatte.
»Hinter dem Garten befindet sich eine Weide, die wir für unsere Pferde gemietet haben«, erklärte Kate zufrieden.
Auch das noch, dachte Brady und überschlug im Geist die Kosten für die Haltung eines oder mehrerer Pferde.
Er hatte ganz vergessen, dass Kates Leidenschaft Pferden galt. Das war schon so gewesen, als er sie kennengelernt hatte. Damals war sie siebzehn gewesen. Er entsann sich des weitläufigen Landhauses ihrer Mutter, die in den frühen Siebzigerjahren eine gefeierte Reiterin war und bei Olympischen Spielen beim Hürdenspringen teilnahm. Kate konnte schon reiten, kaum dass sie laufen gelernt hatte. Auch ihr hatte man Großes vorhergesagt. Später hatte sie sich in allen Disziplinen hervorgetan: Dressurreiten, Hürdenspringen und Querfeldeinrennen. Bis sie Brady begegnet war.
Anderseits hatte sie vorher schon begonnen, gegen die feine Erziehung ihres Internats zu rebellieren, und trieb sich freitagabends in einer heruntergekommenen Bar namens Mingles herum. Eines Nachts hatten sich Skinheads aus Newcastle Zugang zu der Bar verschafft, allesamt betrunken und auf der Suche nach Streit. Brady entdeckte Kate, als sie sich ängstlich an die Wand drückte und zusehen musste, wie ein Skinhead einem ihrer Punkfreunde ein Glas ins Gesicht schlug. Brady sprang zu ihr und zerrte sie nach draußen. So war eins zum anderen gekommen.
Sie waren ein ungleiches Paar gewesen: Brady, der ungehobelte Junge aus dem Armenviertel von Ridges, und Kate, das privilegierte Mädchen aus gutem Hause. Irgendwann hatte Brady sie mit Jimmy Matthews bekannt gemacht. Das hatte Kates Mutter ihm bis heute nicht verziehen, denn den Traum, ihre Tochter für England bei der Olympiade reiten zu sehen, hatte sie wenig später endgültig begraben müssen.
Brady steckte sich eine Zigarette an. Eigentlich hatte er sich vorgenommen, weniger zu rauchen, doch der Tag war bislang die Hölle gewesen, und deshalb wollte er nicht allzu streng mit sich sein.
Kate stellte ihm eine Untertasse als Aschenbecher hin.
»Danke«, sagte Brady.
Sein Mund war trocken. Irgendwie fühlte es sich nicht richtig an, hier mit Kate in der Küche zu sitzen.
»Was für Pferde hast du denn inzwischen?«, fragte er in dem Versuch, höflich Konversation zu betreiben.
Kates Gesicht leuchtete auf, und als sie ihn anlächelte, wusste er wieder, weshalb er sie einmal geliebt hatte. In ihrem Lächeln drückte sich ihre ganze Lebensfreude aus, so strahlend und unbeschwert, dass man davon mitgerissen wurde.
»Zwei Vollblüter«, erwiderte sie mit glänzenden Augen. »Eins so verrückt wie das andere. Melody ist kastanienbraunund ganz phantastisch in der Dressur. Tico ist ein wenig heller, ein Wallach, und im Querfeldeinrennen kaum zu schlagen.«
Dann seufzte sie, und das strahlende Lächeln ließ nach.
Stirnrunzelnd zupfte sie eine Zigarette aus Bradys Päckchen auf dem Tisch, griff nach dem Feuerzeug und zündete sie sich an.
»Ich dachte, du hättest das Rauchen schon vor Jahren aufgegeben«, sagte Brady.
»Hatte ich auch.«
»Und?«
Kate warf einen Blick auf den weißen Hautstreifen an ihrem Ringfinger, wo ihr Ehering gesessen hatte.
»Mein Leben ist eine Katastrophe«, bekannte sie.
Brady betrachtete ihr Gesicht. Er hatte vergessen, wie wohlgeformt ihre Wangenknochen waren und wie tiefgründig ihre schönen Augen. Sie war zu gut für Matthews, das hatte Brady von jeher gewusst und es Jimmy nach ein paar Gläsern schon mehrfach gesagt. Mittlerweile war sie Mitte dreißig, aber die sechzehn Ehejahre mit einem Mann wie Jimmy Matthews hatten ihre Spuren hinterlassen.
Kate sah, dass Brady sie musterte, und brach in nervöses Kichern aus.
»Wie geht es dir denn so?«, fragte sie. »Ich dachte, du bist noch gar nicht im Dienst.«
Brady zuckte mit den Schultern und betrachtete die Zigarette zwischen seinen Fingern. Über sich wollte er nicht reden.
»Ich habe gehört, dass du angeschossen wurdest. Müsstest du dich nicht noch ein
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