Engelsgrab
geschlafen hat. Wäre ihre Tochter irgendwann ins Haus gekommen, hätte sie es nicht gehört. Im Übrigen vermute ich, dass sie sich generell aus dem Leben ihrer Tochter herausgehalten hat. Die Frage ist nur, warum?«
Conrad zuckte mit den Schultern.
»Sie wusste, dass da etwas schiefläuft«, fuhr Brady fort. »Vielleicht hat sie deshalb versucht, sich mit Alkohol zu betäuben.«
»Glauben Sie, Sir?«, fragte Conrad und runzelte die Stirn.
»Garantiert«, sagte Brady.
Für eine Weile fuhr Conrad schweigend weiter. Dann holte er Luft.
»Und was wäre, wenn Sophie tatsächlich nach Hause gekommen wäre. Womöglich hat sie irgendetwas mitbekommen?«
»Was denn? Dass auf dem alten Bauernhof eine Party im Gang war?«
Conrad nickte.
»Denkbar ist es. Ich war in Sophies Zimmer. Von ihrem Fenster aus hat man einen Blick auf die Mauerreste.«
»Sie hätte einen Schrei oder so was hören können«, überlegte Conrad. »Irgendeinen Tumult. Und dann ist sie losgelaufen, um nachzusehen, worum es geht.«
»Das ist mir zu einfach«, entgegnete Brady. »Aus meiner Sicht war das ein geplanter Mord. Kein Handgemenge, das zufällig aus dem Ruder gelaufen ist.«
Conrad blickte ihn fragend an.
»Wäre Sophie sexuell missbraucht und ermordet worden, dann könnte es irgendjemand gewesen sein. Doch der Mörder hat sie gekannt. Sie hat sich dort gezielt mit jemandem getroffen, Conrad. Und wir müssen herausfinden, wer das gewesen ist.«
»Und wie kommen Sie darauf?«
»Stellen wir uns vor, Sie wäre zu Hause gewesen. Oder auch sonstwo. Jemand hat sie angerufen und sich mit ihr verabredet. Oder die Verabredung stand schon. So oder so hat Sophie sich mit dieser Person am Ende des Feldwegs getroffen, nicht weit von ihrem Elternhaus entfernt. Da ist ein Zaun mit einem Loch, durch das man geradewegs zu dem Bauernhof gelangt.«
»Wer sagt das?«
»Ainsworth. Er hat an dem Zaun Hand-und Fußabdrücke eines Mannes gefunden, die mit denen am Tatort identisch sind. Ebenso die Abdrücke von Sophies Stiefeln. Also wissen wir, dass sie da war, nur leider nicht, mit wem.«
»Vielleicht haben Harvey und Dr. Jenkins ja mehr herausgefunden.«
»Mag sein.« Brady dachte an die Gesichter der jungen Leute auf den Fotos, zu denen ihm – mit einer Ausnahme – bislang noch die Namen fehlten.
»Wir müssen herausbekommen, wer sich an dem Abend dort herumgetrieben hat, und sie dazu befragen. Ich vermute, irgendwann wurde dort ein Lagerfeuer entzündet, denn die Asche, die ich dort entdeckt habe, weist darauf hin. Und sagen wir mal, es wurde auch eine wilde Party gefeiert. Aber wer hat dann noch etwas gesehen, auf das wir uns wirklich verlassen können? Da könnte einer über eine Leiche gestolpert sein und hätte es womöglich gar nicht mehr mitgekriegt.«
Brady zog sein Handy hervor und sah nach, ob neue Nachrichten eingegangen waren. Nichts. In einem versteckten Winkel seines Herzens hatte er gehofft, Claudia hätte sich vielleicht bei ihm gemeldet. Was hattest du erwartet?, fragte er sich resigniert.
Während er die Zigarette ausdrückte, nahm er sich vor, als Nächstes Jimmy Matthews’ Tochter zu befragen. Vielleicht konnte Evie ihm ja Anhaltspunkte dafür liefern, was an dem Abend zu dem Mord geführt hatte.
»Wollten Sie das Rauchen nicht aufgeben?« Missmutig schaute Conrad auf den Aschenbecher und das Armaturenbrett, die am Morgen noch kein Aschestaub verunziert hatte.
»Entschuldigung«, murmelte Brady und wischte die Asche weg.
»Was machen wir jetzt?«, fragte Conrad, nachdem sie beide eine Zeit lang geschwiegen hatten.
»Wir sprechen mit denen, die Sophie am besten gekannt haben, und hoffen, dass sie uns die Wahrheit erzählen.«
»Dann fangen wir am besten mit der Tochter von Jimmy Matthews an, oder?«, fragte Conrad. »Haben Sie nicht gesagt, sie sei Sophies beste Freundin gewesen?«
»Habe ich«, antwortete Brady leise.
Kapitel 24
»Sie warten hier auf mich«, befahl Brady, als sie in die Einfahrt zu Matthews’ Haus einbogen.
Conrad schien es die Sprache verschlagen zu haben. Mit offenem Mund starrte er auf die umgebaute Pfarrei aus dem achtzehnten Jahrhundert, in der Jimmy Matthews mit seiner Familie residierte. Brady konnte sich bestens vorstellen, was Conrad durch den Kopf ging. Weder er noch Brady hätten sich Matthews’ Haus leisten können, auch nicht eine der anderen Sandsteinvillen, die in diesem stillen, feinen Ort namens Earsdon lagen, nur wenige Meilen von Whitley Bay entfernt. Und natürlich würde
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