Engelsgrab
Conrad sich als Nächstes fragen, wie es denn dann Matthews schaffte, hier derart hochherrschaftlich zu wohnen. Die Frage hatte auch Brady sich schon mehr als einmal gestellt. Inzwischen tauchte für ihn dabei auf unschöne Weise der Name Madley auf, woraufhin er sich vor Augen hielt, dass Matthews sein Kumpel war und er den Mann schon seit vielen Jahren kannte. Matthews war korrekt oder zumindest in den Punkten, auf die es Brady ankam. Sicher nahm er sich hier und da ein paar Freiheiten heraus, doch wer tat das nicht? Kaufen konnte man Matthews jedenfalls nicht – wenigstens nicht den Mann, den Brady bislang gekannt hatte.
Andererseits hatte Matthews sich mit Madley eingelassen, wenn Brady an sein Telefonat mit ihm dachte. Allein deshalb durfte Conrad nicht dabei sein, wenn er mit ihm sprach. Zuvor musste Brady erfahren, wie viel Matthews aus dem Safe hatte mitgehen lassen, ihn überreden, alles zurückzugeben, oder einen Weg finden, um den Schaden zu begrenzen. Alle möglichen Szenarien spukten ihm durch den Kopf, jedes mit riesigen Geldsummen, Drogen und überseeischen Nummernkonten verbunden. Deshalb war er eigentlich hier, Evie war zunächst zweitrangig, zumal sie zu der Uhrzeit ohnehin noch in der Schule sein dürfte. Aber irgendeiner war bei den Matthews zu Hause. Zwar war von Matthews’ Wagen nichts zu sehen, doch vor der Doppelgarage parkte ein funkelnagelneuer glänzender Land Rover mit Allradantrieb.
»Nur zur Erklärung«, wandte er sich an Conrad. »Zunächst einmal rede ich allein mit Evie. Sie wird so tief verstört sein, dass zwei Polizisten auf einmal wahrscheinlich zu viel für sie sind.«
»Kein Problem«, nickte Conrad und holte sein Handy hervor. »Ich muss sowieso noch ein paar Rückrufe tätigen.«
Brady kam es vor, als sei Conrad regelrecht erleichtert und wolle gar nicht wissen, wie pompös es in den Räumen der Matthews aussehen konnte.
»Rufen Sie auch Dr. Jenkins an«, bat er. »Vielleicht hat sie ja irgendwelche Neuigkeiten.«
Conrad lebte auf. »Das mache ich gleich als Erstes, Sir.«
Widerstrebend kletterte Brady aus dem Wagen. Ihm war eingefallen, dass er Matthews eigentlich seit einem Jahr nicht mehr privat getroffen hatte. Zwar hatten sie nach ihrer Schicht dann und wann einen gehoben, aber ihre Gespräche hatten sich ausschließlich um ihre Fälle gedreht. Genau genommen hatten sie sich entfremdet. Brady hatte eine Ehe geführt, um die es nicht zum Besten stand, wohingegen es Matthews hervorragend zu gehen schien, sich neue Autos kaufte, in italienischen Designeranzügen aufkreuzte und seit Neuestem auch in diesem sündhaft teuren Anwesen in der feinen Gegend von Earsdon lebte.
Irgendetwas ging da nicht mit rechten Dingen zu, gestand Brady sich schließlich ein. Zu solchem Wohlstand kommt man als normaler DI nicht über Nacht.
Flüchtig spielte er sogar mit dem Gedanken, Conrad allein in das Haus zu schicken, doch er erkannte, dass es eine Schnapsidee war, und ging langsam auf den Eingang zu. Matthews war sein Problem. Er war immer noch sein alter Kumpel, und da er in Schwierigkeiten war, hatte Brady die Pflicht, ihn da herauszuholen. Abgesehen davon schuldete er Matthews einen Gefallen, so einfach war das.
Vor der Haustür warf er noch einmal einen Blick über die mit weißem Kies bestreute Einfahrt zurück und dachte daran, dass Matthews bei Madley etwas »abgearbeitet« hatte.
Dann drückte er auf die Klingel.
Wenig später öffnete sich die Tür, und Kate, Jimmys Frau, stand ihm gegenüber.
»Jack? Was willst du denn hier?«, fragte sie. »Falls du Jimmy suchst, ich hab keine Ahnung, wo er ist.«
»Darf ich trotzdem reinkommen?«
Für einen Moment sah es aus, als würde sie ihm die Tür vor der Nase zuschlagen, doch dann wandte sie sich wortlos ab. Brady folgte ihr über einen kunstvoll gefliesten Flur in die im Landhausstil eingerichtete Küche hinten im Haus. Unwillkürlich nahm er den roten Aga wahr, die kostspielige Ausstattung und die edlen Gerätschaften. Selbst die Steinquader auf dem Fußboden hatten offenbar mehr gekostet, als er in einem halben Jahr verdiente.
»Ich glaube, du warst hier noch nie«, merkte Kate beiläufig an, doch ihre Stimme klang angespannt und nervös.
»Möchtest du einen Kaffee?«, fuhr sie fort und hielt eine Thermoskanne aus Edelstahl hoch.
»Ja, bitte.«
»Schwarz, Milch, Zucker?«
»Schwarz.« Brady zog einen Stuhl hervor und ließ sich an dem langen Landhaustisch nieder.
»Schönes Auto, das da vor der Garage steht«,
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