Engelsgrab
preisgeben wollen.
»Ich gehe jetzt besser«, sagte Brady.
Kate nickte gleichmütig. Er wollte, dass sie noch etwas sagte, irgendetwas, um den Abschied versöhnlicher zu machen.
Dann fiel ihm das Foto ein, das er von Sophies Pinnwand entfernt hatte.
Er zog es hervor und hielt es Kate hin. »Sagt dir diese Aufnahme etwas?«
Kate warf einen Blick auf das Foto. Dann nahm sie es in die Hand und betrachtete es verblüfft. Als sie es ihm zurückgab, wirkte ihr Gesicht wieder ausdruckslos.
»Okay, Jack. Ich hab’s gesehen. Was erwartest du jetzt von mir?«
Brady zuckte mit den Schultern.
»Du könntest mir sagen, was du davon hältst.«
»Du liebe Güte, was soll ich schon davon halten? Sophie war ein albernes kleines Mädchen, aber im Grunde noch völlig harmlos. Aber anscheinend will dir das nicht in den Sinn.«
»Richtig«, sagte Brady. »Will es nicht.«
Kate nahm die Untertasse und ließ die Kippen in den Mülleimer fallen. »Ich weiß einfach nicht, worauf du hinauswillst. Sophie ist ermordet worden. Sie ist nicht losgelaufen, um sich spaßeshalber in Gefahr zu begeben. Deshalb sind all die Fragen, mit denen du Evie bestürmt hast, unangemessen und daneben.«
Brady merkte, dass er schlichtweg zu müde war, um sich zu wehren. Sophie war bestimmt die Letzte, die er für ihren Mord verantwortlich machte. Er wollte lediglich begreifen, was für ein Mensch sie gewesen war und was sie außerhalb der Schule getan hatte. Ohne dieses Wissen konnte er kein Profil des Mörders erstellen, das lernte man schon in den ersten Stunden Kriminologie. Irgendetwas an Sophie Washington hatte es gegeben, das jemanden veranlasst hatte, mit unvorstellbarem Hass und Wut über sie herzufallen.
»Vielleicht war ich Evie gegenüber zu heftig. Aber wie du das so abtun kannst«, Brady tippte auf das Foto in seiner Hand, »ist mir unbegreiflich.«
»Ich sehe eben nicht alles so schwarz wie du.«
Brady ging darüber hinweg. »Weißt du, wer der Typ neben Sophie ist?«
»Ihr Klassenlehrer«, entgegnete Kate leichthin. »Ein sehr netter, reizender Mensch.«
Für einen Moment fehlten Brady die Worte. Noch einmal studierte er das Foto. »Scheint mir noch ziemlich jung für einen Lehrer. Bist du dir wirklich sicher?«
Kate verdrehte die Augen.
»Natürlich bin ich mir sicher. Wenn du mich fragst, wurde das Foto wahrscheinlich vor zwei Monaten auf einer Klassenfahrt in den Schwarzwald aufgenommen. Mr Ellison war einer der Lehrer, die die Reise organisiert hatten. Evie war damals krank und konnte nicht mitfahren. Sie war am Boden zerstört. Wie die meisten Mädchen in ihrer Klasse ist sie in Mr Ellison verknallt.«
»Hat sie dir das selbst gestanden?«
»Das braucht sie nicht. Als Mutter hat man ein Gespür für solche Dinge. Es liegt ja auch auf der Hand. Nimm die Hormone eines jungen Mädchens und dazu einen gut aussehenden jungen Lehrer. Was, glaubst du, kommt dabei heraus?«
Mit gerunzelter Stirn schaute Kate hinaus in den Garten.
»Ich weiß noch, dass Evie außer sich war, dass Sophie ohne sie mitgefahren ist. Und mich hat sie gehasst, weil ich auf ihrem Hierbleiben bestanden habe. In der Woche, in der die Klasse verreist war, hat sie kein Wort mit mir gesprochen. Erst als Sophie zurückkam, hat sie sich wieder abgeregt.«
Brady steckte das Foto zurück in die Tasche und entschied, die anderen Fotos, die er an der Pinnwand des Opfers gesehen hatte, nicht zu erwähnen. Jedenfalls noch nicht. Lieber wollte er warten, bis Mutter und Tochter sich wieder beruhigt hatten, und hoffen, dass er dann vernünftige Aussagen bekäme.
»Weißt du noch, wann genau diese Klassenfahrt war?«
»Nicht aus dem Kopf«, entgegnete Kate. »Da müsste ich nachschauen.«
»Ruf mich an, wenn du es weißt. Je früher, desto besser.«
Kate nickte zerstreut.
»Jack«, fragte sie, als Brady sich zum Gehen wandte.
Er drehte sich um. »Ja?«
»Was willst du eigentlich beweisen?«
»Nichts als die Wahrheit, Kate. Wie immer.«
Kapitel 26
Auf dem Weg zurück zum Wagen entdeckte Brady eine silberfarbene BMW-Limousine, die vor dem Haus gegenüber parkte. Auf dem Beifahrersitz saß ein Mann, bei dem es sich eindeutig um Gibbs handelte, einen von Madleys muskelbepackten Schlägertypen. Offiziell arbeitete Gibbs als Rausschmeißer in einem von Madleys Nachtklubs, doch dort verdiente er nur ein Taschengeld verglichen mit dem, was ihm seine Tagesarbeit einbrachte. Den Fahrer hatte Brady noch nie gesehen, ein mickriger dunkelhaariger Mann mit
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