Engelsgrab
möglicherweise Fehler macht, für die er gar nichts kann?«
Gates betrachtete Brady abwägend.
»Na gut«, antwortete er bedächtig. »Diesmal gebe ich noch nach. Betrachten Sie es als Ihre letzte Chance. Nur der kleinste Verstoß gegen die Dienstordnung, und Sie sind erledigt. Ganz gleich, ob O’Donnell sich für Sie einsetzt oder nicht.«
»Sir, ich –«, setzte Brady an, aber Gates winkte ab.
»Sparen Sie sich Ihre Worte für Ihren Bericht, Jack. Und glauben Sie nur ja nicht, ich würde scherzen. Noch eine Beschwerde über Sie, und ich werde Ihnen nicht nur diesen Fall abnehmen, sondern außerdem alles daran setzen, dass Sie aus meiner Einheit verschwinden. Haben Sie das verstanden?«
»Sicher«, sagte Brady und stand auf.
In der Raucherecke hinter dem Polizeigebäude zündete Brady sich eine Zigarette an, wählte Matthews’ Handynummer und erreichte wieder nur seine Mailbox.
»Jimmy? Ich muss wirklich mit dir reden. Verdammt, Jimmy! Ruf mich an, verstanden?«
Kapitel 47
Vor dem Verhör ging Brady noch einmal in sein Büro, um sich auf die Begegnung mit Ellison vorzubereiten.
Ein lautes Klopfen riss ihn aus seinen Gedanken.
»Ja?«, fragte Brady geistesabwesend.
Harvey kam herein und hielt ihm einen Ausdruck hin. »Hier, die Aussage von der Bedienung aus dem Beacon. Tracy Hamilton ist ihr Name.«
Brady riss ihm die Seite aus der Hand.
»Weiß sie, dass sie als Zeugin vernommen wird, falls wir Ellison vor Gericht bringen?«
»Sie ist sogar damit einverstanden.«
»Ist sie auch sicher, dass es Ellison war, der sich mit Sophie getroffen hat?«
»Ohne jeden Zweifel. Ihr wurden viele Fotos vorgelegt, und sie hat ihn eindeutig wiedererkannt.«
Der Druck auf Bradys Brust ließ ein wenig nach.
Dann überflog er die Aussage und schnappte nach Luft. Mrs Hamilton hatte Ellison und Sophie nicht nur bedient, sondern Ellison später, auf dem Nachhauseweg, noch einmal in der Seatonville Road gesehen. Da war er gerade dabei gewesen, über den Zaun des alten Bauernhofs zu steigen. Brady las weiter und runzelte die Stirn.
»Wieso steht hier, dass für Sophie vom Beacon aus ein Taxi gerufen wurde?«
»Weil es Teil der Aussage war, Jack, warum sonst?«
»Wohingegen Ellison nichts Besseres zu tun hatte, als nachts noch über Zäune zu klettern? Da soll einer draus schlau werden.«
»Tja«, sagte Harvey und hob die Schultern.
»Okay, Harvey, finde heraus, welches Taxiunternehmen angerufen wurde, und ermittle den Fahrer. Sieh zu, dass er herkommt. Ich möchte doch zu gern wissen, wohin er Sophie gebracht hat.«
Ben Ellison machte einen ramponierten Eindruck. Verkatert und übernächtigt hockte er auf seinem Stuhl. Jedes Mal, wenn er einen Schluck aus seinem Wasserglas nahm, bemerkte Brady die zitternden Hände.
»Ich kann es nur immer wieder sagen, Detective Inspector: Mit dem Mord habe ich absolut nichts zu tun.«
»Gut, dann kommen wir noch mal auf Ihre sexuelle Beziehung zu Sophie zurück.«
»Die gab es nicht.«
Brady übte sich in Geduld, aber leicht fiel es ihm nicht. »Doch, Ellison.«
Ellisons Augen waren blutunterlaufen. Sein Blick irrte zwischen Brady und Conrad hin und her, um herauszufinden, was hier vor sich ging.
»Wir haben eine zuverlässige Zeugin«, ergänzte Brady.
»Und woher weiß ich, dass Sie die nicht erfunden haben?«, fragte Ellison unwirsch.
Brady wich zurück. Ellison roch grauenhaft, eine Mischung aus abgestandenem Alkohol und Schweiß. Er brauchte dringend eine Dusche und frische Kleidung.
»Keine Sorge«, sagte Brady. »Die Zeugin gibt es tatsächlich. Sie hat Sie im Beacon gesehen, wo Sie mit Sophie gesessen und getrunken haben. Und später hat sie mitbekommen, dass Sie über den Zaun zu dem alten Potter-Hof gestiegen sind.«
»Na und?«
»Wissen Sie, wann Sophie ermordet wurde?«
Ellison zuckte mit den Schultern.
»Zwischen halb eins und zwei Uhr morgens.« Brady machte eine Pause. Ellisons Gehirn sollte Zeit haben, die Nachricht zu verarbeiten. »Sie wurden um Viertel nach zwölf auf dem Weg zum Tatort entdeckt. Ich würde sagen, als Verdachtsmoment reicht das aus.«
»Das ist mir scheißegal«, fuhr Ellison auf. »Ich habe es nicht getan. So ein Mensch bin ich nicht.«
»Ach nein?«, fragte Brady interessiert. »Was für einer sind Sie dann? Nur jemand, der sich mit fünfzehnjährigen Schülerinnen einlässt?«
Ellison warf ihm einen wütenden Blick zu.
»Sie kennen den Autopsiebericht«, fuhr Brady unbeeindruckt fort. »Möchten Sie sich dazu
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