Engelsgrab
lachte auf.
»Bitte, setz dich«, bat er. »Wenn du da so stehst, kann ich nicht mit dir reden.«
»Wie oft soll ich dir noch sagen, dass es nichts mehr zu bereden gibt«, brauste sie auf. »Ich habe dich mit deiner Schlampe in unserem Ehebett erwischt, und damit ist der Fall für mich erledigt.«
Sie ist immer noch wütend, dachte Brady und hätte gern gehofft, dass es ein gutes Zeichen war, oder zumindest besser, als wenn er ihr vollkommen gleichgültig geworden wäre.
»Ich war betrunken«, versuchte er sich zu verteidigen. »Es war ein Versehen, Claudia, bitte, sieh das doch ein.«
»Für ein Versehen warst du ganz schön bei der Sache«, antwortete sie bitter. »Aber das ist jetzt alles nebensächlich. Ich hatte mir immer geschworen, dich zu verlassen, wenn du mich betrügst, und das habe ich getan. Und deshalb ist es zwischen uns aus und vorbei.«
»Es war nur dieses eine Mal«, sagte Brady bittend und widerstand der Versuchung, ihr seinerseits Vorwürfe zu machen. Immerhin hatte er sie unterstützt, als sie sich ihre Karriere aufbaute, selbst dann noch, als ihre Arbeit sie aufzufressen begann. Aber womöglich hatte er zu lange geschwiegen und zu lange hingenommen, dass sie immer weniger Zeit für ihn hatte. Erst gegen Ende hatte er sie gebeten, kürzer zu treten, aber nur leere Versprechen erhalten und Vertröstungen auf später.
Selbst als er sie immer seltener sah, hatte er sich gesagt, mit ihrer Besessenheit kompensiere sie, dass sie keine Kinder bekamen, oder vielmehr, dass Claudia nicht empfangen konnte, nicht auf natürliche Weise.
Sie hatten es mit künstlicher Befruchtung versucht, die zweimal in frühzeitige Fehlgeburten gemündet waren. Danach hatte Brady das Verfahren abgelehnt, denn die vergebliche Hoffnung, die Claudia sich jedes Mal machte, konnte er nicht ertragen. Vielleicht hätte er auch darüber intensiver mit ihr sprechen sollen, statt nur zu sagen, dass er sich weigere, noch einmal einen Anlauf zu nehmen, denn auf die Weise hatte Claudia seine Entscheidung nie verstanden und ihn gestraft, indem sie noch arbeitswütiger wurde.
Oder sie hatte sich selbst bestraft, auch das hielt Brady für möglich. Er erinnerte sich an den Tag, als sie erfuhren, dass Claudias Immunsystem die Embryonen abstieß und so die Fehlgeburten auslöste. Sie war einer der klügsten Menschen, die er kannte, und doch war es, als wollte sie es nicht begreifen, als dächte sie, wenn sie es nur lange genug probierten, würde sie irgendwann zu ihrem ersehnten Baby kommen. Damals hatte er nicht gewusst, was schlimmer war: das Unmögliche immer wieder zu versuchen oder zuzusehen, wie sie verzweifelte.
»Woran denkst du?«, unterbrach Claudia seine Erinnerungen. »Bist du dabei, dir die nächste lahme Entschuldigung zurechtzulegen?«
»Nein, überhaupt nicht. Ich dachte –«
Sie ließ ihn nicht ausreden. »Ich will es gar nicht hören, Jack. Weißt du, dass ich gelächelt habe, als ich erfuhr, dass man dich angeschossen hatte? Das hat er verdient, dachte ich und habe mich gefreut.«
»Das wundert mich nicht«, entgegnete Brady.
»Ach komm, Jack«, sagte sie verächtlich. »Der Mann, der für sein Tun nie verantwortlich ist. Warum bekennst du nicht offen, dass du versagt hast? An einem Abend mit deinem Fremdgehen und am nächsten bei deiner Drogenrazzia.«
Weil es keinen Zweck mehr hätte, dachte Brady und betrachtete Claudias unversöhnliche Miene und die aggressiv in die Seite gestemmten Fäuste. Wie sollte er da aufstehen und das tun, was er am liebsten tun wollte, nämlich sie in die Arme nehmen und an sich drücken, ihren Duft einatmen und sie küssen, bis sie wieder wusste, weshalb sie ihn einmal geliebt hatte? Sollte er ihr sagen, dass er noch nie eine Frau so sehr begehrt hatte wie sie?
Ehe er überhaupt etwas tun oder sagen konnte, klopfte es an der Tür.
Brady räusperte sich. »Ja, bitte?«
Jenkins trat ein und blieb abrupt stehen. Claudia drehte sich um. »Ach«, sagte sie. »Damenbesuch.«
»Ich wollte nicht stören«, entschuldigte sich Jenkins und wandte sich an Brady. »Conrad hat gesagt, ich würde Sie hier finden.«
Brady stand auf. »Meine Frau und ich waren auch so gut wie fertig«, erklärte er steif.
»Waren wir das?«, fragte Claudia spitz und musterte Jenkins von Kopf bis Fuß. Dann warf sie ihr Haar zurück und fragte über die Schulter: »Willst du uns nicht miteinander bekannt machen, Jack?«
Ohne seine Antwort abzuwarten, trat sie auf Jenkins zu und streckte ihr die Hand
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