Engelsgrab
vielleicht äußern?«
»Der nützt Ihnen gar nichts«, erklärte Ellison so nachdrücklich, als wolle er sich selbst davon überzeugen.
Brady verschränkte die Arme vor der Brust. Er wusste, dass er ihn hatte; sein Schweißgeruch verstärkte sich.
»Ich kenne meine Rechte. So muss ich nicht mit mir umspringen lassen.«
»Im Moment sind Ihre Rechte eingeschränkt«, antwortete Brady freundlich. »Und das Recht zu lügen haben Sie mit Sicherheit nicht. Nicht da, wo Sie jetzt sitzen.«
Ellison sah Conrad an, doch der zuckte nur die Achseln.
»Wir können Sie vierundzwanzig Stunden lang festhalten«, ergänzte Brady. »Am besten, Sie gewöhnen sich ein wenig an uns. Möchten Sie noch etwas sagen?«
Ellison schüttelte den Kopf.
»Vierzehn Uhr siebenunddreißig«, sagte Brady auf Band. »Das Verhör ist beendet.«
Er wandte sich zu dem Wachmann an der Tür um. »Bringen Sie ihn zurück in seine Zelle.«
»Moment mal.« Ellison sprang auf. »Ich will einen Anwalt. Sie wollen mich reinlegen.« Er deutete auf Brady. »Ich weiß, was Sie vorhaben. Mich reinlegen. Ich will einen Anwalt!«, rief er verzweifelt.
»Ellison«, unterbrach Brady ihn kopfschüttelnd. »Sie haben zu viele Krimis gesehen.« Er stand humpelnd auf und verließ den Verhörraum.
Kapitel 48
Zwei Stunden nach dem Verhör hatte Brady den Laborbericht und die Ergebnisse der Computeranalysen vorliegen. Hochzufrieden betrachtete er die Seiten. Endlich hatte er das Beweismaterial, um gegen Ellison offiziell Anklage erheben zu können. Sophies Vaginal-und Analabstriche enthielten beide Spuren von Ellisons DNA. Zumindest die sexuelle Beziehung konnte Ellison nicht mehr bestreiten.
Darüber hinaus hatte Jed auf Sophies Computer E-Mails ausgegraben, die das Mädchen gelöscht hatte – drastische Mails sexueller Natur, die wiederum von Ellisons Laptop stammten. Ellison hatte sie unter falschem Namen von einem separaten Account aus geschickt, aber Jed hatte die Quelldaten zurückverfolgt. Auch die Verabredung, sich in der Mordnacht im Beacon zu treffen, tauchte in den E-Mails auf.
Die Beweislage war so überwältigend, dass Brady Ellison anwaltlichen Beistand gewährt hatte. Soweit er wusste, war der Anwalt schon im Haus und dabei, sich mit Ellison zu beraten. Soll er nur, dachte Brady. Kein Anwalt der Welt wäre in der Lage, die Beweise vom Tisch zu reden, da mochte er noch so gewieft sein.
Selbst Gates war mittlerweile von Ellisons Schuld überzeugt und hatte eine Pressekonferenz anberaumt. Das waren die Augenblicke, die ihn glücklich machten: vor den Reportern zu stehen und den Erfolg seiner Einheit zu verkünden.
Nur sechsunddreißig Stunden hatten zwischen dem Mord und der Festnahme eines Verdächtigen gelegen. Gates konnte sich also zu Recht rühmen. Mit einer solchen Geschwindigkeit wurden sonst hauptsächlich Morde zwischen Eheleuten aufgeklärt. Doch solche Fälle erwähnte die Presse nur am Rand. Zwar wurde in England jeden dritten Tag eine Frau umgebracht – gewöhnlich von ihrem Ehemann oder Partner –, und doch fanden diese Morde kein öffentliches Interesse. Darüber hatte Brady ausgiebig nachgedacht und war zu dem Ergebnis gekommen, dass sie an heimliche Wünsche rührten und darüber zu lesen etwas Bedrohliches hatte. Deshalb nahm er an, auch die Presse habe erkannt, dass man jedes blutrünstige und schlüpfrige Detail ausschlachten konnte, vorausgesetzt, es fand nicht vor ihrer Tür statt.
Der Mord an Sophie Washington hatte eindeutig die gewünschten Zutaten: Da war der Lehrer, der seine Schülerin verführt und ermordet hatte, ein Monster in Gestalt eines gut aussehenden, beliebten Pädagogen, ein Wolf im Schafspelz. Brady sah die Schlagzeilen schon vor sich. Auch Gates’ Augen würden in stillem Triumph funkeln, während er sich ausrechnete, wann seine ersehnte Beförderung kommen würde.
Brady sammelte seine Unterlagen ein und machte sich auf den Weg, um Ellison die neuesten Nachrichten mitzuteilen.
Doch als er den Vernehmungsraum betrat, blieb er wie erstarrt stehen. Aber es war nicht Ellison, der ihn verblüffte, sondern dessen Anwältin. Brady blickte sie an, machte auf dem Absatz kehrt und verließ den Raum wieder.
Conrad kam ihm nach.
»Seit wann wissen Sie es schon?«, fragte Brady.
»Auch erst seit eben, Sir. Bis dahin dachte ich, dass Michael Travers Ellison vertreten würde.«
»Und Ihnen ist wirklich nicht das kleinste Gerücht zu Ohren gekommen?«
»Na ja, es wurde so etwas gemunkelt.«
»Und warum
Weitere Kostenlose Bücher