Engelsgrube - Almstädt, E: Engelsgrube
Es war das Haus, in dem Birgit Manstein als Geschäftsführerin von Magenta ihren Lebensunterhalt verdient hatte.
Pia Korittki stieß die Tür zu dem Gebäude auf, dicht gefolgt von Oswald Heidmüller, der eher unwillig den Platz hinter seinem Schreibtisch verlassen hatte. Da der Mord auf dem Altstadtfest der zweite in Lübeck innerhalb von sechs Wochen war, hatten die Mitarbeiter vom Kommissariat 1 nun mehr als genug zu tun. Nachdem das Wochenende mit der Bearbeitung aller Augenzeugenberichte ausgefüllt gewesen war, standen am Montagmorgen die Befragungen an Birgit Mansteins Arbeitsplatz auf dem Programm. Heidmüller,der normalerweise Innendienst schob, war Pia deshalb als Teamkollege zugeteilt worden, um an den Befragungen draußen teilzunehmen. Ihr erster Blick im düsteren Treppenhaus fiel auf ein handgeschriebenes »Außer Betrieb«-Schild, das am Gitter des alten Fahrstuhls befestigt war. Die Treppe führte um den Fahrstuhlschacht herum und hatte hohe, ausgetretene Stufen. Oben im vierten Stock angekommen, würde sie wenigstens wach sein, dachte sich Pia, und machte sich an den Aufstieg. Nach kurzer Zeit hörte sie Heidmüller schnaufend atmen. Er legte bereits auf dem zweiten Treppenabsatz eine Pause ein. Sie fragte sich, wie er eigentlich durch den sportlichen Eignungstest gekommen war. Oswald Heidmüller war noch jung, hatte er so schnell seine Form verloren?
Oben, im Empfangsbereich der Agentur, blendete sie gleißendes Licht. Oberlichter und verschwenderisch positionierte Downlights ließen bei Besuchern und Mitarbeitern keinen Zweifel daran aufkommen, dass modernste Technik Einzug in das alte Gemäuer gehalten hatte.
Am Tresen begrüßte sie ein junger Mann, der für einen Montagvormittag viel zu fröhlich lächelte. Auch die Tatsache, dass die Kripo da war, um den Mord an Birgit Manstein zu untersuchen, vermochte seine Miene nur kurzfristig zu verdüstern.
»Schreckliche Sache«, meinte er lapidar und griff zum Telefon auf dem Empfangstresen, um den stellvertretenden Geschäftsführer zu informieren. Während sie warteten, nahm Pia den Empfangsbereich in Augenschein. Sichtmauerwerk, viel Metall und spiegelblanke Oberflächen vermittelten den Eindruck, dass sich in dieser Branche noch Geld verdienen ließ. Eine Art offene Teeküche mit Espressomaschine und Mikrowelle sollte die Mitarbeiter wohl animieren, sich auchin den Pausen hier aufzuhalten. Bis auf den Jüngling am Empfang war jedoch niemand zu sehen. Irgendwo klingelte ein Telefon …
Erst Minuten später öffnete sich eine der Türen, und ein Mann eilte hektisch auf Pia und Heidmüller zu.
»Frau Korittki von der Kripo Lübeck? Mein Name ist Jürgen Neumann. Ich grüße Sie.«
»Guten Morgen, Herr Neumann. Wir sind hier, um mit Ihnen über Ihre Mitarbeiterin Frau Manstein zu sprechen. Das ist mein Kollege, Kommissar Heidmüller.«
»Ja, angenehm. Kommen Sie mit in mein Office, ein paar Minuten kann ich entbehren …«
Er warf einen demonstrativen Blick auf seine Armbanduhr. Pia hatte nicht vor, sich hetzen zu lassen.
»Etwas Zeit sollten Sie für das anstehende Gespräch schon einplanen«, sagte sie und folgte Neumann in sein Büro.
Heidmüller trottete hinterher.
»Es hat uns alle völlig überraschend getroffen«, meinte Jürgen Neumann und bedeutete ihnen, vor seinem Schreibtisch auf schwarzledernen Besucherstühlen Platz zu nehmen.
»Sie sind stellvertretender Geschäftsführer dieser Agentur?«
»Ja, genau. Birgit, ich meine Frau Manstein, war unsere Geschäftsführerin. Magenta gehört zu einer Gruppe, die auch in Bremen, Hannover und Bielefeld Agenturen unterhält. Ich bin Birgit Mansteins Stellvertreter und habe heute Morgen, wie Sie sich sicher denken können, alle Hände voll zu tun. Unsere Kunden wissen bisher zum Glück noch nichts, aber wenn das bekannt wird …« – er machte eine ausholende Geste – »dann geht’s hier richtig rund.«
»Wer hat Sie über Frau Mansteins Tod informiert?«, fragte Pia.
Als Pia vor einer halben Stunde diesen Termin vereinbart hatte, war Jürgen Neumann bereits über die Ermordung unterrichtet gewesen – obwohl noch nichts Genaueres an die Presse weitergegeben worden war. Die Identität der Ermordeten hatte allerdings noch am Samstag zweifelsfrei geklärt werden können, und nach Sichtung ihrer Papiere hatte man ihre Angehörigen ausfindig gemacht, die die Tote als Birgit Manstein identifiziert hatten.
Jürgen Neumann beantwortete die Frage mit einem überlegenen Lächeln. »Herr
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