Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd
über das Gesicht. Müdigkeit überlagerte die Härte in seinen Augen. „Ich habe Sie angelogen“, murmelte er. „Emily ist nicht auf Hawaii.“
„Warum?“
„Sie hat Probleme. Sie will nicht, dass ihre Mutter davon erfährt.“
Eitrige Ausschläge und Haarausfall? Doch das sprach sie nicht laut aus. Etwas sagte ihr, dass sie ihr Wissen besser noch für sich behielt. Im Moment stellte sie keine Bedrohung für Stephan dar, doch das konnte sich schlagartig ändern, wenn ihr eine unvorsichtige Bemerkung entschlüpfte. Seine Sorge um Emily wirkte jedenfalls echt. „Was für Probleme?“
„Gesundheitliche Probleme.“
„Wo ist sie jetzt?“
„Ich weiß nicht.“ Seine Schultern sanken ein wenig nach vorn. „Ich weiß es wirklich nicht. Sie kommt und geht. Sie hört mir nicht zu.“
„Sie hört niemandem zu. Ich kenne meine Schwester. Immer auf der Suche nach sich selbst. Wussten Sie, dass sie sich einer Sekte angeschlossen hat?“
„Was?“ Die Überraschung in seiner Stimme klang echt.
„Etherlight, die Kirche des Lichts.“
Dunkelheit glitt über Stephans Gesicht, ein Schatten von Wut. Oder war es nur Fassungslosigkeit, die seine Züge für einen Herzschlag verzerrte?
„Kennen Sie die Leute?“
„Nur aus dem Fernsehen.“
Eine Lüge, sagte ihr Bauchgefühl. Es war die Unverbindlichkeit in seiner Stimme, die Leichtigkeit, mit der er die Antwort produzierte.
„Sie schauen sich Fernsehpredigten an?“ Sie schielte nach ihrer Pistole und fragte sich, ob Stephan sie aufhalten würde, wenn sie versuchte, die Waffe wieder an sich zu nehmen. „So hätte ich Sie gar nicht eingeschätzt.“
„Es gibt vieles über mich, das Sie nicht wissen.“
„Zweifellos.“ Sie legte den Kopf schräg. „Etherlight predigt die Apokalypse. Die haben ein Haus weit draußen in der Mojavewüste. Matavilya Crest. Sagt Ihnen das was? Emily hat sich da eine Zeit lang aufgehalten. Wussten Sie das auch nicht?“
„Nein.“ Seine Augen verengten sich zu Schlitzen.
„Ich dachte, Sie sind ihr Verlobter? Sprechen Sie manchmal auch miteinander?“
Die Luft selbst schien für einen Moment den Atem anzuhalten. Die Spannung im Raum war fast mit Händen zu greifen. Stephan kochte innerlich. Sie konnte es sehen. Nur mühsam hielt er seine Beherrschung aufrecht. Sie fragte sich, ob ihre kleinen Provokationen die einzige Ursache waren. Schwer vorstellbar. Stephan hatte zu Beginn ihrer Unterhaltung nicht gerade den Eindruck gemacht, als wäre er leicht reizbar. Doch Etherlight schien einen wunden Punkt zu berühren. Das war interessant. Warum stritt er ab, die Sekte zu kennen? Sie wägte Chance gegen Risiko ab und entschied, noch einmal nachzulegen.
„Vor zwei Tagen hat jemand Matavilya Crest in die Luft gesprengt. Es gab ein paar Tote und viele Verletzte. Das war ein paar Stunden, bevor Emilys Haus in den Hollywood Hills überfallen wurde. Finden Sie nicht, dass das ein seltsamer Zufall ist?“
„Hören Sie“, stieß Stephan hervor. „Ich habe keine Ahnung, wie Sie darauf kommen, dass ich Emily schaden will. Ich liebe sie. Ich liebe sie mehr als mein Leben. Es gibt nichts, das ich nicht für sie tun würde. Ich will ihr helfen, doch das kann ich nicht, weil ich nicht weiß, wo sie ist!“ Seine Stimme steigerte sich in einen heftigen Ausbruch.
Violet nickte. „Warum schließen wir uns nicht zusammen?“
„Das würde ich gem.“
„Aber Sie sagen mir nicht alles, was Sie wissen.“
„Das tun Sie auch nicht.“
Nein. Weil er es dann nicht riskieren könnte, sie am Leben zu lassen. Die Leichtigkeit, mit der er sie entwaffnet hatte, schockierte sie noch immer. Sie wollte Stephan schütteln und ihn fragen, warum er zugelassen hatte, dass Emily Sangrin schluckte, wenn ihm etwas an ihr lag. Wenn er wusste, dass die Nebenwirkungen so verheerend ausfallen konnten. Stattdessen atmete sie tief ein und aus, um ihre Stimme zu kontrollieren. „Würden Sie mich anrufen, wenn Emily wieder auftaucht?“
„Das ja. Aber ich kann nicht versprechen, dass sie einwilligt, sich mit Ihnen zu treffen.“ Ein schwaches Lächeln glitt über sein Gesicht. „Rufen Sie mich auch an, wenn Sie sie vor mir finden?“
„Klingt fair.“
„Dieses Haus, Matavilya Crest.“ Er stolperte über die Silben, als hätte er tatsächlich nie davon gehört. „Wo befindet sich das?“
„Auf halbem Weg zwischen hier und Vegas. Emily war nicht unter den Toten und Verletzten.“
„Woher wissen Sie das?“
„Ich habe meine Quellen.“ Ohne Hast
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