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Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Titel: Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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...“
    „Warte, verdammt.“
    Ihre Schwester würde einen Herzinfarkt erleiden, wenn sie Gabriel sah. Im Halbdunkel durchquerte Violet das Zimmer, um die Schlafzimmertür zu schließen. Auf der Türschwelle blieb sie wie angewurzelt stehen. Die Decke war zurückgeschlagen, das Bett leer. Ratlos blickte Violet sich um. Die Tür zum Bad stand halb offen, es brannte kein Licht. Sie warf trotzdem einen Blick hinein. „Emily?“
    Stille.
    Auf der Veranda raschelte Gabriel mit seinen Blumen wie Sturmwind in einer trockenen Hecke. Was machte er da?
    „Emily?“
    Shit.
    Ihr Ärger sackte in sich zusammen wie eine leere Hülle und ließ nur Erschöpfung zurück. Ein bitterer Geschmack breitete sich in ihrer Kehle aus. Was hatte das nun wieder zu bedeuten? Warum hatte Emily sich davongestohlen? Sie musste gewartet haben, bis Violet eingeschlafen war und sich aus der Wohnung geschlichen haben. Sie fuhr sich mit beiden Händen durch die zerzausten Haare. Großartig, jetzt war sie wieder da, wo sie angefangen hatte. Nur mit dem Unterschied, dass sie wenigstens wusste, was genau sie ihrer Mutter verschwieg, wenn sie ihr beim nächsten Telefonat Lügenmärchen erzählte. Sie hoffte nur, dass Emily weit genug bei Verstand war, nicht zu ihrem Haus in den Hollywood Hills zu fahren, wo sie direkt den Jungs vom LAPD in die Arme laufen würde.
    Sie löste die Kette und machte einen Schritt zurück. Ein Fuder Blumen quoll ihr entgegen. Blauer Flieder und Rosen. Jede Menge Rosen. Weiß, rosa und rot. Gabriel drängte sich durch die Tür, verlor ein paar Blüten auf dem Weg ins Wohnzimmer und hielt ihr die Blumen entgegen wie einen Haufen Wäsche, der so hoch war, dass selbst sein Kopf dahinter verschwand.
    „Ich liebe dich“, drang es durch die Zweige.
    Violet schoss das Blut ins Gesicht. Sie war nicht sicher, ob sie sich verhört hatte, aber ihr Puls jagte trotzdem. Das war nun wirklich nicht, was sie erwartet hatte. Sie war todmüde. Emily war verschwunden. Was zum Teufel sollte sie auf so eine Eröffnung erwidern?
    „Ich ... was hast du gesagt?“
    „Kannst du mir diesen ... ähm, Blumenstrauß abnehmen?“
    „Wo hast du das Ding überhaupt aufgetrieben, mitten in der Nacht?“
    „Verdammt, jetzt nimm ihn endlich!“
    „Konntest du keinen normalen Strauß finden?“ Gegen ihren Willen packte sie Belustigung. Sie unterdrückte ein Lachen und schloss die Arme um die Wagenladung aus Blättern und Blüten. Dornen kratzten über ihre nackten Arme. „Was soll ich jetzt damit machen?“
    „Mir versprechen, dass du nicht mehr mit Feuerwaffen auf mich zielst. Herrgott“, die Silben rutschten ineinander, „du könntest mir einen letzten Rest Selbstachtung lassen und so tun, als wärst du beeindruckt.“
    „Ich bin beeindruckt“, stieß sie hervor. Die Kratzer auf ihren Armen juckten. Das Grünzeug war schwer und roch wie eine Mischung aus Fliederparfüm und frisch gemähtem Rasen. Mit drei großen Schritten war sie an der Spüle und ließ die Blumen hineinsinken, dann drehte sie sich zu Gabriel. Morgendämmerung fiel durch die Fensterscheiben und tauchte seine Wangen und die Schultern in einen Schimmer aus Kobaltblau und Rosé. Je mehr Details sie erfasste, desto größer wurde ihre Irritation. Seine Bandana war verschwunden, sein Haar eine wirre Masse ineinander verwundener Strähnen, in denen Blätter und ein paar winzige Fliederblüten hingen. Die tiefen Kratzer in seinem Gesicht, die er vom Kampf in der Fabrik davongetragen hatte, waren bereits verschwunden. Stattdessen war sein rechter Arm mit Erde verschmiert. Dazwischen glänzte aufgeschürfte Haut. Seine Augen leuchteten in einem merkwürdigen Glanz.
    „Was ist los mit dir?“
    „Was soll sein?“
    Er breitete die Arme aus und machte einen Schritt auf sie zu. Trotz seines demolierten Äußeren verströmte er einen überwältigend maskulinen Charme. Lächeln vertiefte seine Mundwinkel. Sie wich einen Schritt zurück und stieß mit dem Rücken gegen die Spüle. Die Zweige pikten ihr in den Rücken.
    „Hast du das vorhin ernst gemeint?“
    „Was?“
    „Das, was du gesagt hast.“
    „Dass du aufhören sollst, mit einer Pistole auf mich zu zielen?“
    „Nein.“ Alles fühlte sich surreal an. „Das davor.“
    Er legte den Kopf ein wenig schräg und betrachtete sie mit diesem abgründigen Blick, den sie kaum zu erwidern wagte. Sie tat es dennoch und wusste im gleichen Moment, dass es ein Fehler war. Seine Augen hypnotisierten sie. Wenn er sie so ansah, machten sie ihr

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