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Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Titel: Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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sich hinterlistig um seinen Fuß geschlungen hatte. Hübsch. Der Strauch stand in voller Blüte. Hunderte winziger blauer Trichter ballten sich zu üppigen Dolden.
    Er zog den Dolch aus der Scheide, um ein paar Zweige abzuschneiden. Reflexe von den Leuchtreklamen fingen sich auf der kantigen Klinge. Schwerter zu Pflugscharen. Blumensicheln, um genau zu sein. Das würde Thomasz gefallen. Der Gedanke erheiterte ihn noch mehr als die Kirche der Chinesischen Einheit vor Gott, in deren Garten er herumtrampelte wie ein betrunkener Pharisäer. Alles im Namen der Liebe. Fantastisch.
    Er hielt sich die Dolden vor die Nase und atmete tief ein. Die Blumen verströmten einen betäubend süßen Duft. Violet würde das mögen. Er richtete sich auf, wartete einen Moment, bis der Horizont sich ausrichtete, und marschierte auf die Rosensträucher zu. Er erreichte sein Ziel ohne weiteren Zwischenfall und stach sich nur zwei oder drei Mal in die Finger, bevor er einen Arm voller Rosen auf dem Rasen aufgehäuft hatte. Kritisch musterte er das, was von den Büschen übrig geblieben war und entschied, dass das Ausmaß an Verwüstung tolerierbar war. Hier heiligte der Zweck die Mittel.
    „Amen“, murmelte er mit einem Blick auf das Lichterkettenkreuz. Er raffte alles zusammen und schleppte seine Ausbeute zu Violets Haus. Es war ein ziemlich großer Blumenstrauß, der auf beiden Seiten des Treppengeländers entlangschleifte, als er die Stufen zu ihrem Apartment hochstieg. Aber sie war auch ziemlich wütend gewesen. Je mehr Blumen, desto besser.
    Auf halbem Weg überfielen ihn Zweifel. Plötzlich war er nicht mehr sicher, ob er den richtigen Aufgang gewählt hatte. Der Korbsessel am Ende der Veranda kam ihm bekannt vor, aber er konnte sich nicht mehr erinnern, ob die Stehlampe mit dem hässlichen Aufsatz schon immer dort gestanden hatte. Er stoppte vor der letzten Tür und bückte sich, um das Klingelschild zu lesen. Da war es. Bardo. Gott sei Dank. Sein untrüglicher Ortssinn funktionierte auch noch mit einer halben Flasche Whisky im Blut. Das empfand er als ungemein tröstlich.
    Ein letztes Mal ordnete er die Blumen in seinem Arm, stieß gegen die Stehlampe und brachte sie gefährlich ins Schwanken. Doch sie stürzte nicht um. Die Götter waren ihm wohlgesonnen. Vor allem der Gott der Chinesischen Einheit. Er unterdrückte ein Kichern und drückte den Klingelknopf. Dreimal kurz, dreimal lang. Er wartete ein paar Minuten und versuchte es erneut. Dreimal kurz, dreimal lang.
    „Violet“, rief er. „Mach auf. Ich habe die Chinesische Staatskirche ausgeraubt. Ganz allein für dich.“

    Die Klingel war real. Kein schlechter Traum, wie sie ein paar Sekunden lang gehofft hatte. Violet stieß die Wolldecke beiseite und setzte sich auf. Sie brauchte einen Moment, um zu rekapitulieren, dass sie sich vor weniger als drei Stunden auf der Couch zusammengerollt hatte, damit Emily in ihrem Bett schlafen konnte.
    „Shit“, fluchte sie mit einem Blick auf die Uhr. Sonntag, halb sechs Uhr morgens. Wer zum Teufel klingelte um diese Zeit? Sie blickte an sich hinab. Das T-Shirt reichte ihr bis zu den Oberschenkeln, damit war dem Anstand Genüge getan.
    Barfuß tappte sie zur Tür und spähte durch den Spion. Sie sah nicht viel mehr als weiße und blaue Flecken, polierte irritiert die Linse und schaute ein zweites Mal hindurch. Die Flecken bewegten sich. Etwas raschelte.
    „Wer ist da?“
    Das Rascheln wurde lauter, dann mischte sich ein Fluch hinein. „Tut mir leid. Ich bin es.“
    Sie hakte die Kette ein und klinkte die Verriegelung auf. Die Tür öffnete sich einen Spalt. Ein betäubend süßer Duft schlug ihr entgegen. Was zur Hölle ...
    „Ich habe Blumen.“
    „Gabriel?“
    Die Tür ruckte gegen die Kette. „Mach auf, bitte. Wir müssen reden.“
    Etwas war seltsam mit seiner Stimme. Er reihte die Silben schleppend aneinander oder verschluckte sie. Außerdem machte er genug Lärm, um nicht nur Emily, sondern auch noch die philippinische Nachbarschaft zu wecken.
    „Nicht so laut“, wisperte Violet. Sie fühlte sich überrumpelt. Der Groll brodelte noch immer, doch hatte an Schärfe verloren. Die Wut, die sie befähigt hätte, nicht nur die Pistole auf ihn zu richten, sondern auch abzudrücken, war abgeflaut. Vielleicht lag es an der Müdigkeit.
    Gabriel drückte gegen die Tür. Die Kette begann, zu knirschen. Und die Blumen knirschten auch, wo er sie zwischen Türblatt und seinem Körper zerdrückte.
    „Nicht! Warte.“
    „Violet

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