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Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Titel: Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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dass es ein transportabler Scheinwerfer war, wie man ihn auf Baustellen benutzte. Das Gehäuse fühlte sich noch warm an. Sie tastete nach dem Schalter und legte ihn um. Die Helligkeit war so gleißend, wie die Finsternis zuvor undurchdringlich gewesen war. Das Innere der Kapelle war völligverwüstet. Teile der Mauer waren beschädigt, das Geländer des umlaufenden Balkons heruntergebrochen. Trümmer übersäten den Boden. Über den Boden verliefen Zündkabel, die irgendwo zwischen den Stützbalken verschwanden. Blutlachen glänzten auf den Fliesen.
    In einer Nische neben dem Altar entdeckten sie Stephan und Gabriel. Sie lagen nebeneinander, an Händen und Füßen gefesselt. Die Ketten der Handschellen liefen durch Eisenringe, die im Boden einbetoniert waren, stabil genug, um einen tobenden Stier zu halten. In ihren Armbeugen steckten Nadeln, doch die Schläuche lagen durchtrennt am Boden. Blut tröpfelte aus den abgeschnittenen Enden und sickerte zwischen die Steine.
    Violet blieb fast das Herz stehen bei ihrem Anblick. Sie streckte eine Hand nach Gabriels Hals aus, doch fand keinen Puls. Der schwarze Sog in ihrem Kopf wurde so überwältigend, dass sie für einen Moment die Balance verlor. Sie taumelte, dann war Keith neben ihr und tastete nach den Kanülen in Gabriels Armen.
    „Er ist tot“, sagte Cyric.
    Nein, dachte sie. Nur das eine Wort. Nein.
    Quälend langsam drehte sie den Kopf. Alles in ihr weigerte sich, es zu akzeptieren. Weil der Schmerz sie vernichten würde. Um sie drohte sich eine Wand aus Elend und Verzweiflung zu schließen, die alles Licht schluckte. Und sie wusste, dass sie das brechen würde.
    „Nein“, wisperte sie.
    Cyric richtete sich auf. Keith neben ihr ließ das Schwert fallen, zog seinen Dolch und zog sich die Klinge über den Unterarm.
    „Nimm seinen Kopf“, fuhr er Pascal an.
    Verzweifelte Hast breitete sich aus. Erst, als der Schmied Gabriels Kiefer aufzwang und Keith’ Blut auf die bleichen Lippen tropfte, begriff sie, dass Cyric von Stephan gesprochen hatte, nicht von Gabriel.
    „Was ist mit ihm?“, fragte sie schwach.
    Pascals Augen richteten sich auf sie, ein stumpfes Grau mit grünlichem Schimmer, das mehr als alles andere seine Erschöpfung verriet. „Sein Herz schlägt noch.“
    Keith verlagerte sein Gewicht. „Das ist nicht gerade ideal. Er braucht eine richtige Infusion.“
    „Wir haben keine Ausrüstung für eine Infusion. Es muss reichen, um ihn zu stabilisieren. Wenn wir zurück sind in der Stadt ...“ Cyric ließ den Rest des Satzes in der Luft hängen. „Ich sehe mal nach, ob ich einen Hinweis auf Thomasz’ Verbleib finde. Wir brauchen Werkzeug, um diese Ketten zu lösen.“
    Er sprach nicht aus, was sie alle dachten. Stephan war tot, Gabriel lag im Sterben. Cyric rechnete nicht damit, Thomasz lebend zu finden. Das las sie in seinem Blick.

25
    H
eute Abend fahre ich zurück“, sagte Gabriel.
    Violet blickte zu ihm hoch. Morgensonne fiel durch die Fenster des Lofts und vergoldete sein Haar und die Narben an den Schultern, die ihm von seiner zweiten Begegnung mit Etherlight geblieben waren.
    „Also geben wir auf?“
    Drei Wochen waren verstrichen, seit sie von Matavilya Crest zurückgekehrt waren. Drei Wochen, in denen sie die Stadt durchstöberten, Gefallen einforderten, jedem noch so winzigen Hinweis nachgingen. Sie hatten buchstäblich jeden Stein umgedreht. Alle Spuren führten ins Leere. Die Besitzungen der Etherlightkirche im Großraum Los Angeles waren sauber, Carl und Emily blieben spurlos verschwunden. Sie hatten den Sender angerufen, auf dem Carls Predigten liefen, doch natürlich bekam das Studio sie vorgefertigt auf Band. Violets Saab war auf einem Schrottplatz aufgetaucht. Die Identität des Verkäufers ließ sich allerdings nicht ermitteln.
    Mom verharrte in einem mentalen Schockzustand, seit Violet ihr gebeichtet hatte, dass Emily sich mit einer Sekte eingelassen und nun wirklich verschollen war.
    Gabriel war nicht mehr der Gleiche, nachdem er sich vom Blutverlust und den schweren Verletzungen erholt hatte, die Carl und seine Folterknechte ihm zugefügt hatten.
    Niemand sprach es laut aus, doch allen war bewusst, dass sich mit jedem Tag die Chancen verringerten, Thomasz doch noch zu finden. Gabriel zog sich immer weiter an einen Ort zurück, zu dem nicht einmal Violet ihm zu folgen vermochte. Das schmerzte.
    Er gab sich wortkarg und verschlossen, schlief kaum, verbrachte Nächte grübelnd am Fenster. Sie wusste nicht, was sie noch tun

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