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Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Titel: Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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Violet in der Tür auftauchte. Er hatte sie nicht kommen gehört. Ihre Wangen leuchteten in einem fiebrigen Rot, die Augen glänzten ungesund. Sein Magen zog sich zusammen. Er wollte nicht, dass es so endete, doch die Schuld erdrückte ihn und brannte ihn aus. Er wollte, durfte sie nicht weiter verletzen. Er war nicht der Mann, den sie verdiente, und würde ihr nicht länger im Wege stehen.
    „Ich weiß jetzt, was sie vorhaben.“ Ihre Stimme klang heiser.
    Er verspürte ein überwältigendes Bedürfnis, sie an sich zu ziehen und festzuhalten und sein Gesicht in ihrem Haar zu vergraben. Doch er gab der Neigung nicht nach und blieb reglos stehen. Es änderte nichts. Es würde den Bruch nur schmerzhafter machen, als er ohnehin war.
    „Etherlight“, fügte sie hinzu. „Ich weiß, was sie tun werden.“
    „Was meinst du?“
    Sie trat auf ihn zu, so nahe, dass ihr Atem ihn streifte. Dann war sie vorbei, ihre Hand strich an seinem Arm entlang, eine beiläufige Berührung, die einen Kratzer auf seiner Seele hinterließ. Er drehte sich um und sah zu, wie sie sich auf das Sofa zwischen Thomasz’ hölzernen Bücherregalen setzte.
    „Kennst du die Geschichte von Charles Manson?“
    „Der Massenmörder?“ Worauf wollte sie hinaus?
    „In den Sechzigern war Manson der Anführer einer Sekte. Er war überzeugt, dass sich die Apokalypse in Gestalt eines Krieges zwischen der weißen und schwarzen Rasse entlädt, dass die Schwarzen siegen und ihn anschließend zum Herrscher über die Welt machen würden.“ Sie presste ihre Fingerspitzen gegeneinander, als wolle sie ein Zittern unterdrücken. „Nachdem die von ihm prophezeiten Unruhen 1969 nicht eintraten, schickte er seine Anhänger los, um ein paar reiche Weiße zu töten, unter anderem Sharon Tate, die schwangere Frau des Regisseurs Polanski. Er dachte, auf diese Weise könnte er die Apokalypse erzwingen, denn alle Schwarzen würden in den Taten der Manson Family ein Leuchtfeuer erkennen, das ihnen den Weg zeigt.“
    Gabriel kannte die Geschichte. Manson, der vermutlich populärste Gefangene Kaliforniens. Angeblich bekam kein anderer Gefängnisinsasse in den Vereinigten Staaten so viel Fanpost. Er verstand nur noch nicht, was Violet ihm sagen wollte. „Was hat das mit Etherlight zu tun?“
    „Manson hat versucht, seine Überzeugungen in die Realität zu zwingen. Er dachte, die kosmische Ordnung bräuchte nur einen kleinen Schubs und dann würde sich alles so fügen, wie er es in seinem wirren Geist vorhersah.“ Violet beugte sich vor. „Und genau das ist es, was Carl Miller vorhat. Nur mit dem Unterschied, dass seine Apokalypse ein paar Nummern größer ausfallen wird.“
    Sie bebte förmlich vor Energie. Frische Glut strahlte aus jedem ihrer Worte, während Leere in ihm tobte. Er fürchtete sich, ihre Glut zu ersticken, wenn er den Mund aufmachte und ihm ein Stück Leere entschlüpfte.
    „Du brauchst nichts zu sagen. Hör nur zu.“ Violet sprang auf. „Das Zeug aus den Fässern in Matavilya Crest ist eine hochgiftige Chemikalie, die bei Menschen und Tieren Porphyrie hervorruft. Sie kontaminieren Tiere mit HCB, warten, bis sich die Symptome zeigen und dann geben sie ihnen euer Blut. Sie züchten sich ihre eigenen Dämonen.“
    Nur langsam sickerte die Bedeutung ihrer Worte in ihn ein. Die schreckliche, verdrehte Logik, die darin lag.
    Stephans Forschungen waren aus dem Ruder gelaufen und seine Liebe zu Emily hatte ihn zu einer verzweifelten Tat getrieben. Emily hingegen hatte ihn nur noch benutzt, nachdem sie Carls Charme und seinem Charisma verfallen war. Carl wiederum benutzte Emily, um Stephans Vermächtnis für seine Zwecke zu pervertieren.
    Violet streckte eine Hand nach ihm aus. Ihre Finger, kühl und weich, glitten seinen Hals herauf, unter sein Haar, die Wange herauf, über seine Schläfe. Sie schlüpfte unter die Bandana und löste das Tuch, sodass sein Haar ihm über die Schultern fiel.
    „Nicht aufgeben“, flüsterte sie. „Niemals aufgeben. Auch nicht tief drinnen.“ Ihre Fingerspitzen besänftigten den Aufruhr in seiner Seele und rührten an eine Zärtlichkeit, die er vergeblich versucht hatte, abzutöten.
    „Sie inszenieren die Apokalypse“, fuhr sie fort, in gedämpftem Tonfall. „Sie lassen die Bestien in der Stadt frei und sorgen für mediale Aufmerksamkeit. Und diese Sache mit dem Engel ...“ Sie ließ die Hand sinken. „Der Engel wäre die Krönung des Spektakels. Ich habe auf dem ganzen Weg zurück darüber nachgedacht. Dass sie deinen

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