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Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Titel: Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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war eine schwarze Silhouette gegen das grelle Licht des Hubschraubers. Wie eine gigantische Fledermaus mit ausgebreiteten Flügeln glitt er nach unten. Dann schoss eine Flammenwand empor, ein brüllendes Inferno, das Hunde und Menschen verschlang, Autos explodieren ließ und Fensterscheiben zertrümmerte, die sich als Meer von Splittern über die Straße ergossen. Gabriel zog Violet zu Boden und schirmte sie mit seinem Körper ab. Sie wartete auf die Druckwelle, doch nur ein Gluthauch fegte über sie hinweg. Als sie wieder aufblickte, war der Hubschrauber verschwunden. Der Schatten des Engels waberte verschwommen hinter dem Hitzeschild,schwang sich aufwärts und verschmolz mit der Nacht.
    „Wir hatten recht“, keuchte Alan. „Sein Ziel ist Maryans Cathedral.“
    Mit schmerzenden Gliedern richtete Violet sich auf. Dieses Mal ließ sie sich von Gabriel helfen. Sie machte ein paar unsichere Schritte und starrte auf das Armageddon, das vor ihren Augen ausgebrochen war. Der Engel hatte eine Schneise der Verwüstung hinterlassen. Die Baumkronen standen in Flammen, Autos brannten, die Straße war übersät mit Schutt und verkohlten Leichen.
    „Er hat sie einfach verbrannt“, stieß sie hervor. Unglauben und Schock lähmte ihre Stimme.
    „Er ist wütend“, sagte Alan.
    „Aber die Menschen ...“
    „Ein Engel ist kein gütiges Wesen.“ Er schnaubte. „Das ist nur das, was ihr glauben wollt.“
    Gabriel runzelte die Stirn. „Ich hoffe nur, wir müssen uns nicht mit ihm anlegen.“
    „Ich auch.“ Alan bückte sich und half Keith auf. „Hast du die Legenden gelesen? Ein einziger Engel hat Legionen vernichtet.“
    „Lasst uns weitergehen“, sagte Gabriel. „Uns läuft die Zeit davon.“
    Rund um Maryans Cathedral lagen die Kadaver verbrannter Tiere. Büsche und Bäume standen in Flammen und spendeten zuckendes Licht.
    Gabriel schlug nach einem Nachtfalter, der seinem Gesicht zu nahe kam. Sie waren überall. Große Schmetterlinge mit samtschwarzen Flügeln, die zusammen mit dem Engel aufgetaucht waren und wie betrunken durch die Nachtluft taumelten. Viele hatten Feuer gefangen und trudelten brennend zu Boden. Es sah gespenstisch aus.
    Maryans Cathedral war ein Hochhaus aus den dreißiger Jahren mit einer einst prunkvollen, nun aber heruntergekommenen Fassade. Auf Höhe des zweiten Stocks hing ein erloschener Neonschriftzug, der davon kündete, dass hier einmal ein Theater gastiert hatte. Die Fensterhöhlen der unteren Etagen waren mit Brettern und Draht verbarrikadiert.
    Die Stille wirkte noch unheimlicher als das Chaos ein paar Blocks entfernt. Nur das Dröhnen der Hubschrauberrotoren und das ferne Konzert der Sirenen blieben allgegenwärtig.
    „Der Engel zieht die schwarzen Schmetterlinge an“, sagte Alan. „In der Nacht, als Mordechai ihn erweckt hat, war die Luft so dick von ihnen, dass man kaum atmen konnte.“
    Gabriel musterte das Hauptportal mit seinen verwitterten Sandsteinschnitzereien, zerfressen von Abgasen und Taubenkot. Die mächtigen Doppeltüren hingen zerschmettert in den Türangeln. Dahinter gähnte Schwärze.
    „Seit seiner Wiedererweckung bin ich nicht mehr hier gewesen.“ Alan stieß einen Hundekadaver beiseite, der bis auf die Knochen verbrannt war. „Ich schätze, wir sollten Asâêl dankbar sein. Das müssen ein paar Dutzend von den großen Viechern gewesen sein.“
    „Wo steckt die Garde?“, fragte Gabriel.
    Keith zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich kämpfen sie sich den Weg frei.“
    „Sollen wir warten?“ Einer der anderen Schattenläufer schob ein frisches Magazin in seine Maschinenpistole und lud sie durch. „Der Engel scheint den Großteil des Jobs ja schon erledigt zu haben.“
    Alan runzelte die Stirn. „Das Haus hat zehn Stockwerke. Das ist ein langer Weg nach oben.“
    „Gibt es eine Feuertreppe?“
    „Ja, aber nur bis zum fünften Stock.“
    In diesem Moment schnitt ein Schrei in die Stille, lang gezogen und voller Grauen. Ein menschlicher Schrei, irgendwo über ihnen.
    Thomasz.
    Gabriel erstarrte. Ein Teil seines Hirns sagte ihm, dass er sich etwas einbildete, dass er hörte, was er hören wollte. Der Mann schrie erneut, schwächer diesmal und riss abrupt ab. Er öffnete seinen Geist, so weit er konnte und suchte. Suchte und tastete. Die Auraschwingungen der anderen Schattenläufer wirbelten um seinen Geist, überlagerten sich und machten es unmöglich, die Aura seines Vaters zu verifizieren.
    Doch da war die Hoffnung, die mit aller Kraft

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