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Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Titel: Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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als sie Gabriel die Stufen zur Veranda hinauf folgte. Er deaktivierte eine Alarmanlage und sperrte das überraschend moderne Schloss auf.
    Sie dämpfte ihre Stimme. „Bist du sicher, dass die uns hier nicht aufspüren können?“
    „Nicht in meinem Haus.“
    „Du meinst, sie finden es nicht? Oder sie wagen sich nicht hierher?“
    „Das ist mein Haus“, wiederholte er, als erkläre das alles. „Hier können sie mich nicht überraschen. Das wissen sie genau.“ Er stieß die Tür auf. „Fühl dich ganz wie zu Hause.“
    Violet zog die Knie an die Brust und vergrub ihre Hände unter einer Wolldecke mit Indianermustern. Nur mühsam unterdrückte sie das Zittern, das tief aus ihrem Inneren kam. Von ihrem Platz auf dem großen Sofa beobachtete sie Gabriel, der Holzscheite im Kamin anzündete.
    „Dein Adrenalinspiegel fällt ab“, sagte er. „Das ist eine normale Reaktion. Du hast einen Mann erschossen und um dein Leben gekämpft.Ich nehme nicht an, dass du das jeden Tag tust, also ...“
    „Wieso?“, unterbrach sie ihn. „Komme ich dir vor wie ein Amateur?“ Sie verkroch sich tiefer unter die Decke und sah ihm ins Gesicht, weil sie nicht auf seine blutverkrusteten Kleider starren wollte. Die Frage hörte einfach nicht auf, in ihrem Kopf zu kreisen. „Warum bist du nicht tot?“
    Seine Augen verengten sich.
    „Versteh mich nicht falsch“, setzte sie hastig nach. „Ich finde es großartig, dass du noch am Leben bist.“ Sie stockte. „Was ist mit dir passiert? Da draußen, als ich anhalten musste?“
    Ein paar Herzschläge lang hielt er ihren Blick fest. Ihr fiel auf, dass seine Augen von außergewöhnlicher Farbe waren. Nachtdunkel, mit Einsprengseln von Gold und Lavendel. Seine Wimpern, dicht und lang, zeichneten halbmondförmige Schatten auf seine Wangenknochen. Ihre Kehle verengte sich.
    „Du wirst mir ohnehin nicht glauben“, gab er zurück. „Kannst du dich noch zehn Minuten gedulden? Ich brauche eine Dusche und etwas Frisches zum Anziehen.“
    „Klar.“
    „Wenn du etwas trinken willst, da drüben ist der Kühlschrank.“
    Er durchquerte den Raum und verschwand durch eine Tür auf der anderen Seite. Nach einigen Minuten hörte sie das gedämpfte Geräusch fließenden Wassers. Ein Teil der Anspannung fiel von ihr ab, nun, da sie allein war. Seit er sich auf so unerklärliche Weise erholt hatte, nahm Gabriels Präsenz ihr schier den Atem. Sie konnte sich nicht erinnern, wann ein Mann sie zuletzt so fasziniert hatte. Wäre sie ihm in einer Bar begegnet, sie hätte auf der Stelle versucht, ihn flachzulegen. Der Gedanke brachte sie zum Lächeln. Schorf und verkrustetes Blut verbargen nicht, wie gut er aussah. Zudem hatte er eine Art, ihr den Wind aus den Segeln zu nehmen, die sie wütend machen sollte, aber stattdessen amüsierte.
    Sie zog die Decke fester um ihre Schultern und stand auf, um die Umgebung zu erforschen, während Gabriel außer Sicht war. Der Holzfußboden und die Mauern aus Lehmziegeln verliehen dem Raum einen warmen, urtümlichen Charakter, ebenso wie die Indianerteppiche an den Wänden. Neben dem Kamin stand eine reich beschnitzte Anrichte. Mit Antiquitäten kannte sie sich nicht aus, aber konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dieses Möbelstück alt und kostbar war. Ebenso wie der Schwertständer, der darauf ruhte. Drei Klingen lagen im Gestell, die, wenn sie echt waren, ein Vermögen wert sein mussten.
    Mit einem Finger fuhr sie über den Handschutz eines Degens. Der Geruch von Waffenöl stieg ihr in die Nase. Anerkennend hob sie eine Braue. Wer hätte gedacht, dass sich in einem Ranchhaus mitten in der Wüste solche Schätze versteckten?
    Ein frei stehender Arbeitstisch trennte den Küchenbereich ab. An der Spüle wusch sie sich Gesicht und Hände, sorgfältig darauf bedacht, den Ellbogen nicht zu belasten. Als die Schramme über ihrem Jochbein mit Wasser in Kontakt geriet, verwandelte sich das Pochen in ein scharfes Brennen. Sie unterdrückte einen Fluch und presste ein Geschirrhandtuch dagegen, bis der Schmerz abklang.
    Womit verdiente Gabriel seinen Lebensunterhalt? Sie hatte Kuhzäune gesehen, aber er wirkte nicht wie eine dieser verkrachten Existenzen, die die Zeichen der Zeit missachteten und an ihrem armseligen Leben hier draußen festhielten, obwohl die Viehzucht kaum noch etwas einbrachte. Oder er war mit Technologieaktien reich geworden und führte ein Leben als Aussteiger. Wie ein Programmierer im Ruhestand sah er allerdings auch nicht aus.
    Zurück am Kamin

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