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Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Titel: Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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das Wohnzimmer betrat. Um ihre Schultern lag die Wolldecke, die er ihr gegeben hatte.
    „Wenn du willst, kannst du duschen“, sagte er.
    Sie drehte sich zu ihm um. Ihr Blick war undeutbar. Ihm fiel auf, wie hell ihre Augen waren, ein scharfer Kontrast zu ihren pechschwarzen Wimpern. Ihr Haar umrahmte das schmale Gesicht wie Rabenschwingen. Ein anderes Antlitz überlagerte ihre Züge, eine Erinnerung, eine längst vergangene Zeit. Er blinzelte. Das war absurd. Mit Gewalt drängte er die Schimäre zurück.
    Dann war da wieder nur Violet, die Privatdetektivin in Jeans und Top, mit einer blutigen Schramme, die sich quer über ihren Oberarm zog. Violet wirkte zart und zerbrechlich, aber er wusste, dass sie das nicht war. Er hatte sie kämpfen gesehen.
    „Klar“, sagte sie.
    „Komm, ich zeige dir das Bad.“ Er ließ sie vorbei und fragte sich erneut, warum er sie hierhergebracht hatte. Und wusste doch, dass es nicht Fürsorge war oder ein plötzlicher Anflug von Gastfreundschaft. Ihr Arm streifte seine Hüfte, eine zufällige Berührung, ihr Haar schimmerte bläulich im Halbschatten. Er war müde und erschöpft und konnte sich kaum erinnern, wann er das letzte Mal eine Frau anziehend gefunden hatte. Dennoch starrte er einen endlosen Augenblick auf die Haarsträhnen in ihrem Nacken und konnte kaum dem Drang widerstehen, die Hand auszustrecken und sie zu berühren.
    „Die rechte Tür“, sagte er. „Handtücher sind im Regal.“
    Sie wandte den Kopf und lächelte. Obwohl Müdigkeit darin lag, berührte es ihn. So warm fühlte es sich an. So vertraut. Unwillkürlich lächelte er zurück.

    Violet stieß langsam den Atem aus, als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel. Sie fühlte sich seltsam aufgekratzt, wie trunken von ihrer eigenen Courage. Wasserdampf beschlug die Spiegel und die Glasflächen der Duschkabine. Ein Mosaik aus Blau- und Goldtönen zierte die Wände, ein unerwarteter Luxus. So ungewöhnlich wie die alten Möbel oder die Sammlung historischer Klingen. Das Gefühl von Unwirklichkeit wurde stärker. Rasch streifte sie ihre Kleidung ab. Zuerst brannte das heiße Wasser in den Abschürfungen, doch nach einigen Minuten verklang der Schmerz. Sie spürte, wie ihre Muskeln sich entspannten, wie die innere Kälte wich. Lange und gründlich wusch sie ihr Haar. Es kostete sie Überwindung, den warmen Duschstrahl endlich abzudrehen. Tropfnass trat sie hinaus und langte nach dem Handtuch. Das Gefühl von Luxus war unbeschreiblich, als sich der Stoff um ihren Körper schmiegte.
    Sie wischte den Spiegel frei und betrachtete die Schramme auf ihrer Wange. Jetzt, wo das Blut verschwunden war, war nur ein kleiner Riss geblieben. Bei Weitem nicht so schlimm, wie sie befürchtet hatte.
    Neben dem Waschbecken hing ein Schränkchen, das jedoch nur Rasierzeug und Seife enthielt, keine Medikamente, wie sie gehofft hatte. Auf der oberen Ablage ertastete sie etwas Metallisches. Schmuck? Ein leiser Stich Schuldbewusstsein durchfuhr sie, weil sie Gabriels Sachen durchstöberte, doch die Neugier war stärker. Sie angelte einen Ring herunter und sog scharf die Luft ein, als sie sah, was sie da in der Hand hielt. Der ist nicht echt, flüsterte eine Stimme in ihrem Hinterkopf. Der kann unmöglich echt sein.
    Ihr Daumen fuhr über den riesigen Aquamarin in der Mitte, gefasst vom Leib eines Drachens aus geschwärztem Silber. Hübscher Tand, vielleicht aus einem Rollenspielladen. Doch irgendwie passte das nicht zu dem Mann, zu diesen Möbeln, zu allem, was sie bisher gesehen hatte. Vorsichtig legte sie den Ring an seinen Platz.
    Als sie zurücktrat, stieß sie gegen eine Wäschetruhe. Der Deckel verrutschte, sie griff danach, um ihn zu richten und erhaschte einen Blick auf Gabriels blutverschmierte Kleidung. Das schlechte Gewissen kehrte zurück, zusammen mit ein wenig Widerwillen, als sie mit spitzen Fingern sein T-Shirt herauszog. Ihre Manieren hatten wirklich ernsthaft gelitten. Schränke durchstöbern und in der Wäsche des Gastgebers wühlen, wie tief konnte man sinken? Sie rümpfte die Nase und hielt den Stoff gegen das Licht.
    Ein Schwall Befriedigung glitt über sie hinweg, als sie die Einschusslöcher fand. Drei hässliche Risse quer über die Brust, und weiter unten noch einer, der ein Austrittsloch auf dem Rücken hatte. Sie hatte sich das nicht eingebildet. Die Garbe aus der Maschinenpistole hatte Gabriel wirklich erwischt.
    Leises Grauen überlagerte die Euphorie. Vorhin hatte sie spekuliert, dass er vielleicht eine

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