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Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Titel: Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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Händen hob sie eine Pistole.
    „Bleiben Sie stehen.“ Ihre Arme zitterten. Die Schatten hinter ihr regten sich. Vielleicht spielten seine Sinne ihm einen Streich. „Was bist du?“
    Ihre Frage lenkte seine Aufmerksamkeit zurück auf ihr Gesicht. „Es ist alles in Ordnung.“ Er sah ihr in die wasserhellen Augen. „Du kannst die Waffe runternehmen.“
    Ihr Blick wurde schmal. „Wieso ...“
    „Wieso ich nicht tot bin?“ Er verzog einen Mundwinkel. „Ich erkläre es dir. Wenn du aufhörst, mich mit der Pistole zu bedrohen.“
    „Mir ist gerade nicht nach Halloweenscherzen.“ Ihre Worte kamen gepresst und verrieten den enormen Druck, unter dem sie stand.
    Ein leiser Anflug von Schuldbewusstsein spülte über ihn hinweg, der nicht allein darin begründet lag, dass sie ihn aus Matavilya Crest befreit hatte. Sie brachte eine Saite zum Schwingen, rührte an etwas, das er tief vergraben hatte. Er konnte es nicht benennen und das verstörte ihn. Er wusste nur, dass er ihr keine Furcht einjagen wollte.
    „Kein Halloweenstreich.“ Gabriel breitete die Arme aus. „Wenn ich dir etwas antun wollte, hätte ich das schon längst getan, oder nicht?“
    Violet presste ihre Lippen zu einem Strich zusammen. Die Pistole in ihren Händen bebte. Endlich ging ein Ruck durch ihren Körper, sie senkte die Waffe.
    „Danke“, flüsterte er.
    Ein merkwürdiger Geruch streifte seine Nase, eine scharfe Note im Nachtwind. Es irritierte ihn, wie zuvor die Bewegung, die er zu sehen geglaubt hatte. Er roch sein Blut, aber das war es nicht.
    „Was ist mit deinen Verletzungen?“, fragte sie. Die Aggression in ihrer Stimme war schleppender Erschöpfung gewichen.
    „Ich bin ...“ Er verstummte. Zur Hölle, wann hatte er sich je darum geschert, seine Natur zu verbergen? Die Garde mit ihren lächerlichen Anstrengungen, die Existenz ihrer Art vor den Menschen geheim zu halten – welchen Unterschied machte das noch? So sehr fürchteten sie einen Kreuzzug gegen die Kinder vom Blut, dass sie selbst vor Hinrichtungen nicht haltmachten, um ihre Regeln zu zementieren. Doch die Zeiten hatten sich geändert. Wenn heute jemand proklamierte, dass er von einem gefallenen Engel abstammte, dessen Blut ihn jung hielt und jede Wunde heilte, wurde er als Freak abgetan. Er wollte allerdings nicht, dass diese Frau ihn für einen Verrückten hielt. Das war eine ungewohnte Regung, die ihn überraschte.
    „Ich bin ziemlich robust“, sagte er.
    Sie schob die Waffe in den Bund ihrer Jeans. Schmerz flackerte über ihr Gesicht.
    „Bist du verletzt?“ Er trat näher und fasste nach ihrem Arm. Violet wich ihm aus, doch die Bewegung schien ihr noch mehr Schmerzen zu bereiten.
    „Nicht“, murmelte er. „Nicht bewegen.“
    „Fühlt sich an wie gebrochen“, stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
    Sanft tastete er über ihren Ellbogen. „Geprellt“, gab er zurück. „Glück gehabt.“ Dann entdeckte er die Schürfwunde an ihrer Wange und eine weitere Schramme an ihrem Oberarm, vielleicht ein Streifschuss. Blut rann ihren Arm hinab und tropfte von ihrem Ellbogen in denSand. „Mein Haus ist nicht weit von hier.“ Er konnte kaum glauben, dass er das sagte. Die Folter musste seinen Verstand beeinträchtigt haben. Dennoch redete er weiter. Obwohl alles in ihm schrie, sich umzudrehen, sie stehen zu lassen und nie wieder über diese Begegnung nachzudenken. „Wir können diese Kratzer säubern und den Ellbogen bandagieren. Dann schläfst du für ein paar Stunden.“

6
    V
iolet protestierte nicht, als Gabriel sich hinter das Lenkrad zwängte. Nachdem die Anspannung der letzten Stunden nachgelassen hatte, floss die Kraft aus ihr hinaus. Ihre Muskeln brannten. Schmerzlich spürte sie all die kleinen Schrammen, die sie zuvor ignoriert hatte. Jeder Herzschlag pulsierte durch ihren lädierten Ellbogen.
    Die Frage, was mit Gabriel geschehen war, nagte an ihr. Sie hatte gesehen, wie sein Körper sich unter den Kugeleinschlägen aufgebäumt hatte. Eine schusssichere Weste hatte er jedenfalls nicht getragen. Doch ihr fehlte die Energie, darüber nachzudenken.
    Gabriel verzichtete darauf, die Scheinwerfer einzuschalten. Es schien ihn nicht zu stören, im Dunkeln zu fahren. Mühelos wich er Bodenwellen und Staubrinnen aus, als wäre es helllichter Tag. Das war genauso merkwürdig wie alles andere an ihm. Etwas entging ihr hier. Doch die Erleichterung, lebend und ohne größere Blessuren aus Matavilya Crest entkommen zu sein, legte sich wie eine schwere

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