Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd
der Kirche nicht gesehen, hätte er uns alle ins Nirwana geblasen.“
So wie den Piloten des Hubschraubers. Der Mann hatte die Explosion nicht überlebt. Das Blut und seine Selbstheilungskräfte nutzten nichts, wenn man den Körper in tausend Stücke sprengte.
„Sie wussten, dass wir kommen“, sagte Gabriel. „Jemand hat ihnen einen Tipp gegeben.“
Cyric runzelte die Stirn. „Es waren nicht viele eingeweiht.“
„Das macht den Kreis der Verdächtigen klein.“
„Du denkst, es ist jemand aus der Garde?“
Gabriel zuckte mit den Schultern. „Carl hat einen Insider. Er weiß über uns Bescheid.“ Aber warum war Carl dann dieser Fehler unterlaufen? Da war die Frage, die er nicht laut aussprach. Warum die Verwechslung mit Thomasz? Seine Finger ertasteten das Silberkettchen mit der emaillierten Libelle, das noch immer in seiner Jackentasche lag. Er wusste nicht einmal Violets vollen Namen. Wie sollte er sie jemals wiederfinden? Der Gedanke war plötzlich da und schwebte hinter seiner Stirn, während sie sich als Teil dieser gigantischen Blechlawine zurück nach L.A. schoben.
Wie konnte er sie wiederfinden?
Ganz selbstverständlich war es ihm in den Sinn gekommen, hatte die Frage einfach übersprungen, ob er sie überhaupt wiederfinden wollte. Was wusste er schon über die Frau? Dass sie in einer heruntergekommenen Gegend hinter der Union Station in L.A. aufgewachsen war, Libellen liebte und als Privatermittlerin arbeitete. Das war nicht viel. Und dass ihre Schwester Emily mit der Etherlightkirche verbunden war. So sehr, dass sie sich bereit erklärt hatte, einen ihr unbekannten Mann in eine Falle zu locken. Doch Emily war nicht unter den verstörten Zivilisten gewesen, die sie im Hof von Matavilya Crest zusammengetrieben hatten.
Er schloss die Augen und zwang sich, an etwas anderes zu denken. Thomasz, sein Vater. Groß, verträumt, hagere Züge, die Haut blass von Jahrhunderten in Bibliotheken. Er ließ die Libelle los und ballte die Hände zu Fäusten. Cyric Stimme war wie eine weitere Sequenz im Rauschen des Asphalts unter den Reifen.
„Tut mir leid. Ich weiß, wie du dich fühlst, Mann.“
Auf der Fahrt nach Hause rief Violet zuerst Inez an, die keine Neuigkeiten zu berichten hatte und dann Stephan, der nicht abnahm. Frustriert warf sie das Handy auf den Beifahrersitz. Großartig.
Drei Personen aus der Sangrin-Testgruppe, die ein spezielles Kürzel verband, waren verschwunden. Die ganze Sache stank zum Himmel. Wie Emilys Verstrickung mit Etherlight da hineinpasste, konnte sie sich erst recht nicht erklären. Ganz zu schweigen von der fragwürdigen Rolle, die ihre Schwester in der Geschichte mit Gabriel gespielt hatte. Der Gedanke an ihn riss die Wunde wieder auf, die sie den ganzen Tag hartnäckig ignoriert hatte. VORTEC und die kryptischen Patientenlisten hatten sie beschäftigt gehalten. Doch nun, als sie ihren Wagen durch die nächtlichen Straßen lenkte, sickerte Gabriels Bild in ihr Bewusstsein wie ein schleichendes Gift.
Sie konnte Marshall bitten, etwas über ihn herauszufinden. Und dann? Sie wusste doch, wo er wohnte. Himmel, sie konnte sich ins Auto setzen und zu ihm hinaus in die Wüste fahren. Unwillkürlich musste sie lächeln. Mit einem Korb Blaubeeren auf dem Beifahrersitz als Versöhnungsgeschenk oder was?
Sie nahm nicht den Freeway, sondem blieb auf der Griffith Avenue, weil die Fahrt durch die Wohnsiedlungen sie in eine friedfertige Stimmung versetzte. Magnolienbäume und Sykomoren schirmten die Häuser gegen die Straße ab und streuten das Licht der Straßenlaternen. Mit halbem Ohr lauschte sie den Lokal News im Radio. Ausfall der Telefonleitungen nach einem Erdbeben in Mexiko. Ein neuer LAPD- Skandal, weil drei Officer einen Nicaraguaner bei einer Verkehrskontrolle verprügelt hatten. Überfall auf ein Tierheim in North Hollywood, der dritte in zwei Wochen. Die Täter vermummt, vermutlich Mitglieder einer militanten Umweltorganisation. Zuletzt die Sportnews. Werbung plätscherte aus den Boxen. Sie musste lächeln, als der Radiomoderator einen Witz über die Tierbefreier riss.
Erst als sie in den Broadway bog, vorbei am Azteca Center mit seinen mexikanischen Lebensmittelläden, Schnapsstores und einer Wäscherei, fiel ihr der Wagen in ihrem Rückspiegel auf.
Sie erkannte das Auto nicht genau, aber die Frontleuchten saßen hoch und glimmten nur schwach. Sie überlegte, wann der Wagen hinter ihr aufgetaucht war. Die Straße lag verlassen und sicher war es Zufall, dass er wie
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