Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd
Rauschen seines Bluts.
Als sein Gehör endlich zurückkehrte, vernahm er zuerst das Toben der Hunde, wie durch dichten Nebel gedämpft. Maschinengewehrfeuer übertönte das Bellen. Der Gedanke an Keith war ein eisiger Guss Wasser. Er zog Violet auf die Füße. Ein Funkgerät krächzte.
„Scheiß Hunde“, brüllte jemand.
Putzbrocken bedeckten den Fußboden, das Tischgestell lag verbogen vor der Wand mit den Kühlkammern, die Glasplatte zersplittert. Die Tür war halb verschüttet, doch daneben war ein Riss in der Wand entstanden, breit genug, um hindurchzusteigen. Staub hing in der Luft. Er packte Violet an den Schultern. „Bleib hier.“ Seine Pistole hatte er beim Sturz verloren. Im Korridor tauchten Männer auf. „Gib mir deine Waffe.“ Er zog die Browning aus Violets Gürtel, bevor sie etwas erwidern konnte und fasste mit der anderen Hand nach dem Griff seines Schwertes. „Warte hier“, beschwor er sie erneut und sah ihr fest in die Augen. Nach einem Kuss auf ihre Stirn machte er sich auf den Weg.
Mit drei großen Schritten überbrückte er die Distanz zum Riss in der Mauer. Er drückte sich gegen die Wand und spähte hindurch. Zwei weitere Gestalten näherten sich von der Feuertür. Der Korridor hatte sich in eine Schutthalde verwandelt. Betontrümmer blockierten den Durchgang. Er wartete, bis die Männer auf seiner Höhe waren, dann feuerte er. Zwei präzise Schüsse, die Wachen brachen zusammen. Er fuhr herum und erfasste die anderen drei Wachleute. Noch ein dunkler Anzug, daneben ein kahl rasierter Latino und ein Blondschopf mit militärisch kurzem Haarschnitt und Holzfällerhemd.
Der Latino zog sofort den Abzug seiner Uzi durch. Gabriel ließ sich fallen und presste sich gegen einen hüfthohen Betonbrocken. Über ihm fetzten Splitter und Staub aus dem Trümmerstück. Die Feuertür schwang abermals auf und weitere Gestalten drängten hindurch. Hier konnte er nicht bleiben. Es waren zu viele. Doch zurück in den Kühlraum konnte er auch nicht, ohne Violet zu gefährden. Der Kugelhagel riss nicht ab. Wenigstens blieben die Sicherheitsleute an der Doppeltür stehen, weil sie nicht in die Schusslinie ihrer Leute geraten wollten. Gabriel feuerte ein paar Schüsse in ihre Richtung. Der Staub verwandelte alles, was weiter als vier Meter entfernt lag, in gelbliche Schemen. Ein Mann brach zusammen, die anderen wichen hinter die Tür zurück.
Abrupt rissen die Salven der Maschinenpistolen ab. Die Hysterie der Hunde in ihren Käfigen hallte von den Wänden zurück.
Eine zweite Granate rollte über den Boden.
Verdammt.
Er kam hoch und setzte über den Betonbrocken. Die Explosion hob ihn von den Füßen. Mit dem Rücken prallte er gegen die Wand, Schmerz lähmte ihn und riss ihm den Atem von den Lippen. Ihm wurde bewusst, dass die Wachleute verschwunden waren. Der Kampflärm klang nun weiter entfernt. Cyrus und seine Kavallerie?
Zwei Männer tauchten aus dem Dunst auf. Keuchend kam Gabriel auf die Füße, die Trommelfelle betäubt vom Knall. Er feuerte mit zitternder Hand, einer der beiden taumelte, dann schlug der Hammer auf Metall. Das Magazin war leer.
Gabriel ließ die Browning fallen, packte das Schwert mit beiden Händen und stürmte auf die Männer zu. Etwas traf ihn an der Hüfte und schleuderte ihn gegen die Wand. Er fand sein Gleichgewicht wieder, dann hatte er sie erreicht. Seine Klinge fetzte durch Stoff und Muskeln, als wäre es nichts als Papier. Ein Regen aus Blut sprühte durch die Luft, benetzte seine Wange. Sie fielen, der Weg war frei.
Schwankend ließ er das Schwert sinken.
Er konnte die Anwesenheit der Gardekämpfer spüren, so deutlich wie den Kupfergeschmack des fremden Blutes auf seinen Lippen. Und noch eine Aura flammte auf, scharf wie ein Peitschenhieb.
Einen Augenblick später krachten beide Flügel der Feuertür gegen die Wände und gaben den Blick frei auf einen schwarzlockigen Mann. Instinktiv wusste Gabriel, dass die neue Aura zu ihm gehörte.
Ein Schattenläufer.
Feind oder Verbündeter?
Der Mann war massiv gebaut und so groß, dass er den Kopf unter dem Rahmen neigen musste. Als er näher kam, bemerkte Gabriel die Maschinenpistole in seiner Hand.
„Marco?“, rief eine Stimme hinter ihm.
Gabriel warf einen Blick über die Schulter und entdeckte Keith mit blutüberströmtem Gesicht, eine Hand gegen die Seite gepresst. Aufseinen Zügen stand sprachlose Überraschung.
„Marco!“, stieß er hervor. „Verdammt, du lebst?“
Marco de Calzo. Gabriel hatte ihn in
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