Engelskuss und Weihnachtstraum - eine Liebesgeschichte in 24 Kapiteln
ihre Instrumente weg.
Wir warteten.
»Ich finde es komisch, dass Lilli, Mareike und Amanda die Engel nicht mehr spielen wollen«, sagte Paul versonnen. »Ausgerechnet die drei, die so fürs romantische Feeling gekämpft haben. Macht doch keinen Sinn, oder?«
»Ne«, bestätigte Emil, der Sohn des Pfarrers, »ich kapierâs auch nicht. Weil ja eigentlich die Engel die absoluten Hauptpersonen sind. Aber die Mädchen haben das offensichtlich nicht gecheckt.«
»Wie meinstân das?« Murat klopfte sich mit den Trommelschlegeln auf die Hand. »Ich denke, die Maria ist der Star.«
»Ja. Aber wer hätte von dem Kind erfahren? Eine Handvoll Hirten, ein paar Reisende, die zufällig in einer abgelegenen Karawanserei übernachteten. Ãberhaupt kommen ja dauernd irgendwo Kinder zur Welt; aber das eine Kind war eben etwas Besonderes. Bloà â wie brachte man die Story unter die Leute? Ohne Internet? Da griff man eben auf Engel zurück. Im meine: ENGEL ! Die tauchten aus dem Nichts auf, waren nicht zu fassen, schwebten irgendwie herum, aber ihre Botschaft kam an. Hundertpro. Mann, stell dir vor, plötzlich stünde einer neben dir! Das haut dich um, dagegen ist ein Vampir ein Garnichts. Glaub mir das, Murat.«
Der grinste. »Echt? Hast schon mal die Bekanntschaft eines Engels gemacht?« Dann wurde er ernst. »Mensch, Emil! Willst du damit sagen, dass, wäre das Ganze heute passiert, der Wirt vielleicht die Geburt mit dem Handy gefilmt und das Video bei Youtube hochgeladen hätte?«
»Klar. Und in den ersten Stunden wäre es dann eine Million Mal angeklickt worden.«
»Und bei Facebook fünf oder zehn oder hundert Millionen Mal? Was bedeuten würde, dass die Engel âne frühe Form von Facebook waren: Stell âne Info ins Netz und du bist sicher, dass sie weltweit verbreitet wird? Echt? Mann, voll der Wahnsinn.«
Mick, der Schlagzeuger, lieà es scheppern. »Okay, wir habenâs kapiert, Emil. Holt die Engel zurück, damit wir irgendwann mal Schluss machen können.«
Linus schaffte das.
Vermutlich hatte er mit Engelszungen auf sie eingeredet, denn er kam mit Lilli und ihren allerbesten Freundinnen zurück und Löwenfeld verlangte von Emil, er müsse den Mädchen das Licht aufstecken.
Emil erledigte die Aufgabe wie ein Profi, und nachdem er die drei von ihrer Wichtigkeit überzeugt hatte, wurde die Szene neu ausgearbeitet.
Die Hirten und Könige mussten sich zu den Schafen legen und wurden dadurch so gut wie unsichtbar. Die Engel standen im Vordergrund, hinter ihnen Anna, Paul und Simon, die Trompeter; der einzige Spot, den wir noch zusätzlich hatten, tauchte die Szene in güldenes Licht â und dann gingâs volle Pulle los mit In dulci jubilo â komplett mit Chor, Orchester, Solotrompeten und Linus, der mit vollem Körpereinsatz in die Tasten griff und ein Dauergrinsen im Gesicht hatte, das garantiert Engel Lilli galt.
Dass sie, Amanda und Mareike kaum singen konnten, ging in dem Lärm natürlich unter und störte niemand.
Chris Löwenfeld war happy; er dankte Emil, der den Karren aus dem Dreck gezogen hatte, und gönnte uns eine Pause.
Yasin und ich nützten sie zwischen den Kulissen und fanden sie viel zu kurz â¦
Dann wurde in aller Eile unter Mithilfe der Leute vom Chor und Orchester der Teletext neu verfasst.
+ + + Ort im Nahen Osten Zentrum eines unerklärlichen Ereignisses + + + Reporter aus aller Welt treffen ein + + + Himmlische Botschaft: Wissenschaftler und Forscher uneins â Tatsache oder Fake? + + + Handynetze weltweit zusammengebrochen + + +
Dazu nahm Emil, der Nachrichtensprecher, Stellung:
Wie uns unser Sonderberichterstatter vor Ort mitteilt, treffen stündlich Besucher aus allen vier Himmelsrichtungen ein. Darunter befinden sich zur Ãberraschung aller auch gekrönte Häupter, die, wie es noch heute in abgelegenen Gegenden üblich ist, kostbare Geschenke mitbringen. Umso erstaunlicher ist, dass es sich bei dem Beschenkten um einen Säugling handelt. Und damit zurück zur Tagesschau.
Darauf probten wir die letzte Szene, die einfach war, weil Yasin, der Wirt, nur die Stalltür öffnen musste. Josef und ich mit dem Kind im Arm traten heraus, ich hielt die Puppe hoch, und wir stellten uns zu den Engeln, Hirten, Königen und Reisenden, die sich zufällig in der Karawanserei aufhielten. Das war das Zeichen zum groÃen
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